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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

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Damit dieses möglich sey, müssen die Complexionen un-
ähnlich seyn in dem Grade, dass jede bestehe aus der
stärksten des einen Paares entgegengesetzter Vorstellun-
gen, und aus der schwächsten des andern. Denn kein
Hemmungsgrad kann negativ seyn.

Beyspiel: Zwischen zwei Klängen sey der Gegen-
satz =1, zwischen zwey Farben [Formel 1] ; ein Klang =2 com-
plicirt mit einer Farbe =6, der andre Klang =5 com-
plicirt mit der andern Farbe =2: so ergiebt sich das H.
V. [Formel 2] .

Das Auffallende in diesem Beyspiel, dass eine Com-
plexion =7 und eine andre =8 sich gegenseitig gleich
stark hemmen, wird noch mehr hervortreten in dem fol-
genden Satze.

4) Es sey p=o, so ist das H. V. wie b:a, und
die Rechnung giebt die vierten Glieder [Formel 3] und [Formel 4] ,
a und b mögen seyn was sie wollen.

Das heisst: wenn von zweyen entgegenstehen-
den Vorstellungen jede complicirt ist mit einer
solchen die nichts ihr entgegengesetztes im Be-
wusstseyn antrifft: so geschieht die Hemmung
lediglich im Verhältniss jener entgegengesetz-
ten; obgleich die ganzen Complexionen dersel-
ben unterworfen sind
.

Beyspiel: Mit der Vorstellung eines Farbigten von der
Stärke 3, sey complicirt ein Klang =1; mit der Vorstellung
eines andern Farbigten von der Stärke 1, sey complicirt
eine Gefühlsvorstellung =11: so erleidet die letztre Com-
plexion =12 eine dreymal so starke Hemmung wie die
erstere =4. Wie sehr die Farben entgegengesetzt seyn
mögen, wirkt nur auf die Hemmungssumme.

Das Seltsame, dass die stärkste Kraft hier am mei-
sten leidet, ist leicht zu erklären. Die Gefühlsvorstellung
kann nur widerstehen; aber ihr ist kein Gegensatz eigen,

Damit dieses möglich sey, müssen die Complexionen un-
ähnlich seyn in dem Grade, daſs jede bestehe aus der
stärksten des einen Paares entgegengesetzter Vorstellun-
gen, und aus der schwächsten des andern. Denn kein
Hemmungsgrad kann negativ seyn.

Beyspiel: Zwischen zwei Klängen sey der Gegen-
satz =1, zwischen zwey Farben [Formel 1] ; ein Klang =2 com-
plicirt mit einer Farbe =6, der andre Klang =5 com-
plicirt mit der andern Farbe =2: so ergiebt sich das H.
V. [Formel 2] .

Das Auffallende in diesem Beyspiel, daſs eine Com-
plexion =7 und eine andre =8 sich gegenseitig gleich
stark hemmen, wird noch mehr hervortreten in dem fol-
genden Satze.

4) Es sey π=ο, so ist das H. V. wie b:a, und
die Rechnung giebt die vierten Glieder [Formel 3] und [Formel 4] ,
α und β mögen seyn was sie wollen.

Das heiſst: wenn von zweyen entgegenstehen-
den Vorstellungen jede complicirt ist mit einer
solchen die nichts ihr entgegengesetztes im Be-
wuſstseyn antrifft: so geschieht die Hemmung
lediglich im Verhältniſs jener entgegengesetz-
ten; obgleich die ganzen Complexionen dersel-
ben unterworfen sind
.

Beyspiel: Mit der Vorstellung eines Farbigten von der
Stärke 3, sey complicirt ein Klang =1; mit der Vorstellung
eines andern Farbigten von der Stärke 1, sey complicirt
eine Gefühlsvorstellung =11: so erleidet die letztre Com-
plexion =12 eine dreymal so starke Hemmung wie die
erstere =4. Wie sehr die Farben entgegengesetzt seyn
mögen, wirkt nur auf die Hemmungssumme.

Das Seltsame, daſs die stärkste Kraft hier am mei-
sten leidet, ist leicht zu erklären. Die Gefühlsvorstellung
kann nur widerstehen; aber ihr ist kein Gegensatz eigen,

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[206/0226] Damit dieses möglich sey, müssen die Complexionen un- ähnlich seyn in dem Grade, daſs jede bestehe aus der stärksten des einen Paares entgegengesetzter Vorstellun- gen, und aus der schwächsten des andern. Denn kein Hemmungsgrad kann negativ seyn. Beyspiel: Zwischen zwei Klängen sey der Gegen- satz =1, zwischen zwey Farben [FORMEL]; ein Klang =2 com- plicirt mit einer Farbe =6, der andre Klang =5 com- plicirt mit der andern Farbe =2: so ergiebt sich das H. V. [FORMEL]. Das Auffallende in diesem Beyspiel, daſs eine Com- plexion =7 und eine andre =8 sich gegenseitig gleich stark hemmen, wird noch mehr hervortreten in dem fol- genden Satze. 4) Es sey π=ο, so ist das H. V. wie b:a, und die Rechnung giebt die vierten Glieder [FORMEL] und [FORMEL], α und β mögen seyn was sie wollen. Das heiſst: wenn von zweyen entgegenstehen- den Vorstellungen jede complicirt ist mit einer solchen die nichts ihr entgegengesetztes im Be- wuſstseyn antrifft: so geschieht die Hemmung lediglich im Verhältniſs jener entgegengesetz- ten; obgleich die ganzen Complexionen dersel- ben unterworfen sind. Beyspiel: Mit der Vorstellung eines Farbigten von der Stärke 3, sey complicirt ein Klang =1; mit der Vorstellung eines andern Farbigten von der Stärke 1, sey complicirt eine Gefühlsvorstellung =11: so erleidet die letztre Com- plexion =12 eine dreymal so starke Hemmung wie die erstere =4. Wie sehr die Farben entgegengesetzt seyn mögen, wirkt nur auf die Hemmungssumme. Das Seltsame, daſs die stärkste Kraft hier am mei- sten leidet, ist leicht zu erklären. Die Gefühlsvorstellung kann nur widerstehen; aber ihr ist kein Gegensatz eigen,

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/226>, abgerufen am 23.11.2024.