tene Vorstellung, die Wirkungssphäre ausmacht; indem alle gleichzeitig in Activität befindliche Vorstellungen sich auf irgend eine Weise gegenseitig afficiren, und zusam- mengenommen den eben jetzt vorhandenen Gemüthszu- stand ergeben. Sollte es übrigens den Sprachgebrauch zu verletzen scheinen, wenn wir von Vorstellungen im Bewusstseyn reden, deren wir uns gleichwohl nicht be- wusst seyen: so wolle man sich erinnern, dass auch selbst die ganz gemeine Sprache durch den Ausdruck: Er ist ohne Bewusstseyn, einen Zustand bezeichnet, der weit verschieden ist von dem, welchem ein Denker oder Dichter sich in dem Maasse nähert, als er, seiner selbst vergessend, sich in seinen Gegenstand wissenschaft- lich oder künstlerisch vertieft. --
Im §. 17. bot sich die Gelegenheit dar, an Locke's gerechte Verwunderung über die "narrowness of the hu- man mind" zu erinnern. Schon jetzt ist soviel sichtbar, dass diese scheinbare Eigenschaft der Seele, nur eine sehr kleine Anzahl von Vorstellungen gleichzeitig in Thätigkeit setzen zu können, und bey dem Wech- sel der Vorstellungen, immer die alten über den neuen fahren zu lassen, ohne sie doch zu verlieren, -- gar keine Eigenschaft der Seele, sondern bloss ein noth- wendiger Erfolg der Gegensätze unter unsern Vorstel- lungen ist. In welche Hypothesen würde man wohl gerathen, wenn man dem Gemüthe gleichsam eine enge Pupille beylegen wollte, vielleicht mit irgend einer Iris versehen, die sich nach ihren eignen Gesetzen erwei- terte und zusammenzöge? -- Aus dem obigen ist klar, dass das Quantum dessen, was im Gleichgewichte bey- sammen seyn kann im Bewusstseyn, gar kein allgemei- nes Gesetz hat, sondern in jedem einzelnen Falle von der Stärke und den Gegensätzen der zusammen- treffenden Vorstellungen abhängig ist. Von physiolo- gischen Einflüssen, welche dieses einigermaassen modifi- ciren, und der Aehnlichkeit mit jener Pupille um ein we- niges näher bringen können, reden wir hier noch nicht.
tene Vorstellung, die Wirkungssphäre ausmacht; indem alle gleichzeitig in Activität befindliche Vorstellungen sich auf irgend eine Weise gegenseitig afficiren, und zusam- mengenommen den eben jetzt vorhandenen Gemüthszu- stand ergeben. Sollte es übrigens den Sprachgebrauch zu verletzen scheinen, wenn wir von Vorstellungen im Bewuſstseyn reden, deren wir uns gleichwohl nicht be- wuſst seyen: so wolle man sich erinnern, daſs auch selbst die ganz gemeine Sprache durch den Ausdruck: Er ist ohne Bewuſstseyn, einen Zustand bezeichnet, der weit verschieden ist von dem, welchem ein Denker oder Dichter sich in dem Maaſse nähert, als er, seiner selbst vergessend, sich in seinen Gegenstand wissenschaft- lich oder künstlerisch vertieft. —
Im §. 17. bot sich die Gelegenheit dar, an Locke’s gerechte Verwunderung über die „narrowness of the hu- man mind“ zu erinnern. Schon jetzt ist soviel sichtbar, daſs diese scheinbare Eigenschaft der Seele, nur eine sehr kleine Anzahl von Vorstellungen gleichzeitig in Thätigkeit setzen zu können, und bey dem Wech- sel der Vorstellungen, immer die alten über den neuen fahren zu lassen, ohne sie doch zu verlieren, — gar keine Eigenschaft der Seele, sondern bloſs ein noth- wendiger Erfolg der Gegensätze unter unsern Vorstel- lungen ist. In welche Hypothesen würde man wohl gerathen, wenn man dem Gemüthe gleichsam eine enge Pupille beylegen wollte, vielleicht mit irgend einer Iris versehen, die sich nach ihren eignen Gesetzen erwei- terte und zusammenzöge? — Aus dem obigen ist klar, daſs das Quantum dessen, was im Gleichgewichte bey- sammen seyn kann im Bewuſstseyn, gar kein allgemei- nes Gesetz hat, sondern in jedem einzelnen Falle von der Stärke und den Gegensätzen der zusammen- treffenden Vorstellungen abhängig ist. Von physiolo- gischen Einflüssen, welche dieses einigermaaſsen modifi- ciren, und der Aehnlichkeit mit jener Pupille um ein we- niges näher bringen können, reden wir hier noch nicht.
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tene Vorstellung, die Wirkungssphäre ausmacht; indem
alle gleichzeitig in Activität befindliche Vorstellungen sich
auf irgend eine Weise gegenseitig afficiren, und zusam-
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stand ergeben. Sollte es übrigens den Sprachgebrauch
zu verletzen scheinen, wenn wir von Vorstellungen im
Bewuſstseyn reden, deren wir uns gleichwohl nicht be-
wuſst seyen: so wolle man sich erinnern, daſs auch selbst
die ganz gemeine Sprache durch den Ausdruck: Er ist
ohne Bewuſstseyn, einen Zustand bezeichnet, der
weit verschieden ist von dem, welchem ein Denker oder
Dichter sich in dem Maaſse nähert, als er, seiner selbst
vergessend, sich in seinen Gegenstand wissenschaft-
lich oder künstlerisch vertieft. —
Im §. 17. bot sich die Gelegenheit dar, an Locke’s
gerechte Verwunderung über die „narrowness of the hu-
man mind“ zu erinnern. Schon jetzt ist soviel sichtbar,
daſs diese scheinbare Eigenschaft der Seele, nur eine
sehr kleine Anzahl von Vorstellungen gleichzeitig in
Thätigkeit setzen zu können, und bey dem Wech-
sel der Vorstellungen, immer die alten über den neuen
fahren zu lassen, ohne sie doch zu verlieren, — gar
keine Eigenschaft der Seele, sondern bloſs ein noth-
wendiger Erfolg der Gegensätze unter unsern Vorstel-
lungen ist. In welche Hypothesen würde man wohl
gerathen, wenn man dem Gemüthe gleichsam eine enge
Pupille beylegen wollte, vielleicht mit irgend einer Iris
versehen, die sich nach ihren eignen Gesetzen erwei-
terte und zusammenzöge? — Aus dem obigen ist klar,
daſs das Quantum dessen, was im Gleichgewichte bey-
sammen seyn kann im Bewuſstseyn, gar kein allgemei-
nes Gesetz hat, sondern in jedem einzelnen Falle
von der Stärke und den Gegensätzen der zusammen-
treffenden Vorstellungen abhängig ist. Von physiolo-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/198>, abgerufen am 24.11.2024.
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