stellungen, die Hemmung gegenseitig seyn, folglich die Objecte sämmtlich in gewissem Grade verdunkelt, und die Thätigkeiten des Vorstellens in eben dem Grade in Strebungen verwandelt werden müssen: dies leuchtet so unmittelbar ein, dass der Beweis überflüssig seyn würde. Zu dem weiss die innere Wahrnehmung nichts von sol- chen Vorstellungen, die gar keiner Verdunkelung unter- worfen wären; vielmehr ist unleugbar, dass alle uns be- kannten Empfindungen, Gedanken, Gesinnungen, Motive, mit einem Worte alles was im Bewusstseyn angetroffen wird, eben so wohl von anderem verdrängt wird, als es selbst anderes zu verdrängen vermag. Jeder Gegenstand, der das Gemüth beschäfftigt, steht nicht, sondern schwebt im Bewusstseyn; er schwebt in beständiger Gefahr, vergessen zu werden über etwas neuem, -- wenn auch nur auf Augenblicke.
Dennoch bedarf der Begriff der gegenseitigen Hem- mung mancher Erläuterungen. -- Wir erblicken hier die Vorstellungen als wider einander wirkende Kräfte. Aber gerade wie in der allgemeinen Metaphysik sich findet, dass das Merkmal der Kraft gar kein reales Prädicat ir- gend eines Wesens seyn kann, sondern dass die We- sen nur zufälliger Weise Kräfte werden, und dass sie dies auf unendlich verschiedene Weise werden können, ohne alle reale Mannigfaltigkeit in ihnen selber *): eben so ergiebt auch die gegenwärtige Betrachtung der Vor- stellungen, dass ihnen alle Kraftäusserung nur zufällig, und in dem Maasse entsteht, als sie gehemmt werden. Jede einzelne Vorstellung ist zuerst und für sich allein nur durch ihr Object, durch das was vorgestellt wird,
*) Ueber diesen so höchst wichtigen Punct werden aufmerksame Leser vielleicht nicht bloss den §. 5. meiner Hauptpuncte der Meta- physik, sondern auch die schon angeführte Abhandlung de attractione elementorum vergleichen, worin ich ausführlich die Unmöglichkeit rea- ler bewegender Kräfte gezeigt, und die Anziehung der Elemente auf eine bloss formale Nothwendigkeit zurückgeführt habe, welche in der Art der Raumerfüllung durch einfache Wesen ihren Sitz hat.
stellungen, die Hemmung gegenseitig seyn, folglich die Objecte sämmtlich in gewissem Grade verdunkelt, und die Thätigkeiten des Vorstellens in eben dem Grade in Strebungen verwandelt werden müssen: dies leuchtet so unmittelbar ein, daſs der Beweis überflüssig seyn würde. Zu dem weiſs die innere Wahrnehmung nichts von sol- chen Vorstellungen, die gar keiner Verdunkelung unter- worfen wären; vielmehr ist unleugbar, daſs alle uns be- kannten Empfindungen, Gedanken, Gesinnungen, Motive, mit einem Worte alles was im Bewuſstseyn angetroffen wird, eben so wohl von anderem verdrängt wird, als es selbst anderes zu verdrängen vermag. Jeder Gegenstand, der das Gemüth beschäfftigt, steht nicht, sondern schwebt im Bewuſstseyn; er schwebt in beständiger Gefahr, vergessen zu werden über etwas neuem, — wenn auch nur auf Augenblicke.
Dennoch bedarf der Begriff der gegenseitigen Hem- mung mancher Erläuterungen. — Wir erblicken hier die Vorstellungen als wider einander wirkende Kräfte. Aber gerade wie in der allgemeinen Metaphysik sich findet, daſs das Merkmal der Kraft gar kein reales Prädicat ir- gend eines Wesens seyn kann, sondern daſs die We- sen nur zufälliger Weise Kräfte werden, und daſs sie dies auf unendlich verschiedene Weise werden können, ohne alle reale Mannigfaltigkeit in ihnen selber *): eben so ergiebt auch die gegenwärtige Betrachtung der Vor- stellungen, daſs ihnen alle Kraftäuſserung nur zufällig, und in dem Maaſse entsteht, als sie gehemmt werden. Jede einzelne Vorstellung ist zuerst und für sich allein nur durch ihr Object, durch das was vorgestellt wird,
*) Ueber diesen so höchst wichtigen Punct werden aufmerksame Leser vielleicht nicht bloſs den §. 5. meiner Hauptpuncte der Meta- physik, sondern auch die schon angeführte Abhandlung de attractione elementorum vergleichen, worin ich ausführlich die Unmöglichkeit rea- ler bewegender Kräfte gezeigt, und die Anziehung der Elemente auf eine bloſs formale Nothwendigkeit zurückgeführt habe, welche in der Art der Raumerfüllung durch einfache Wesen ihren Sitz hat.
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stellungen, die Hemmung gegenseitig seyn, folglich die
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Strebungen verwandelt werden müssen: dies leuchtet so
unmittelbar ein, daſs der Beweis überflüssig seyn würde.
Zu dem weiſs die innere Wahrnehmung nichts von sol-
chen Vorstellungen, die gar keiner Verdunkelung unter-
worfen wären; vielmehr ist unleugbar, daſs alle uns be-
kannten Empfindungen, Gedanken, Gesinnungen, Motive,
mit einem Worte alles was im Bewuſstseyn angetroffen
wird, eben so wohl von anderem verdrängt wird, als es
selbst anderes zu verdrängen vermag. Jeder Gegenstand,
der das Gemüth beschäfftigt, steht nicht, sondern
schwebt im Bewuſstseyn; er schwebt in beständiger
Gefahr, vergessen zu werden über etwas neuem, —
wenn auch nur auf Augenblicke.
Dennoch bedarf der Begriff der gegenseitigen Hem-
mung mancher Erläuterungen. — Wir erblicken hier die
Vorstellungen als wider einander wirkende Kräfte. Aber
gerade wie in der allgemeinen Metaphysik sich findet,
daſs das Merkmal der Kraft gar kein reales Prädicat ir-
gend eines Wesens seyn kann, sondern daſs die We-
sen nur zufälliger Weise Kräfte werden, und daſs sie
dies auf unendlich verschiedene Weise werden können,
ohne alle reale Mannigfaltigkeit in ihnen selber *): eben
so ergiebt auch die gegenwärtige Betrachtung der Vor-
stellungen, daſs ihnen alle Kraftäuſserung nur zufällig,
und in dem Maaſse entsteht, als sie gehemmt werden.
Jede einzelne Vorstellung ist zuerst und für sich allein
nur durch ihr Object, durch das was vorgestellt wird,
*) Ueber diesen so höchst wichtigen Punct werden aufmerksame
Leser vielleicht nicht bloſs den §. 5. meiner Hauptpuncte der Meta-
physik, sondern auch die schon angeführte Abhandlung de attractione
elementorum vergleichen, worin ich ausführlich die Unmöglichkeit rea-
ler bewegender Kräfte gezeigt, und die Anziehung der Elemente
auf eine bloſs formale Nothwendigkeit zurückgeführt habe, welche in
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/172>, abgerufen am 24.07.2024.
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