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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

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des derselben einzeln genommen die alte Schwierig-
keit der Identität mit N, welche nicht denkbar und doch
durchs Gegebene gefordert ist, erneuern werde; daher
man voraussetzen muss, dass sie zusammengenommen
eine gewisse Modification erlangen werden, aus welcher
dasjenige hervorgehe, was dem andern Gliede des Haupt-
begriffs gleich zu setzen sey. Eine solche Modification
müssen die mehrern Objecte, welche einem und demsel-
ben Vorstellenden vorschweben, sich gegenseitig schaf-
fen. -- Die fernere Untersuchung des §. 29., welcher ge-
mäss die Vorstellungen jener Objecte als Kräfte wider
einander wirken müssen, geht schon über das Allgemeine
hinaus, was bey allen gegebenen Widersprüchen einer-
ley Gang des Denkens, oder einerley Methode erfordert.
Das Resultat der Methode ist allemal die Vervielfältigung
eines von den beyden Gliedern des gegebenen Wider-
spruchs; welches das zu vervielfältigende Glied sey, muss
man aus der Eigenthümlichkeit des Problems beurtheilen.
Z. B. beym Ich wird es Niemandem einfallen, eine Mehr-
heit der Subjecte anzunehmen, um diese dem Objecte
gleich zu setzen; weil dies geradezu die Einheit des Be-
wusstseyns aufheben würde.

Zu dem nämlichen Resultate führt ein anderer, kür-
zerer Weg, der aber gleich Anfangs durch eine Hypo-
these betreten wird. Da M für sich nicht gleich N seyn
kann: so werde M durch irgend ein X modificirt, und in
so fern gleich N. Nun enthält der Hauptbegriff nur M
und N. Um sich also vom Gegebenen so wenig als mög-
lich zu entfernen, und keine fremdartigen Merkmale eines
beliebig angenommenen X zuzulassen: setze man X gleich
M; so hat man mehrere M, wie zuvor. Das Object im
Ich werde durch irgend ein X modificirt, um dem Subjecte
gleich seyn zu können. Aber was für ein X wird man
in den Begriff des Ich einlassen dürfen, der nichts anderes
kennt, als nur Object und Subject? Die geringste mögliche
Abweichung von dem gegebenen Begriff besteht darin, ein
Object durch ein anderes modificiren zu lassen. So

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des derselben einzeln genommen die alte Schwierig-
keit der Identität mit N, welche nicht denkbar und doch
durchs Gegebene gefordert ist, erneuern werde; daher
man voraussetzen muſs, daſs sie zusammengenommen
eine gewisse Modification erlangen werden, aus welcher
dasjenige hervorgehe, was dem andern Gliede des Haupt-
begriffs gleich zu setzen sey. Eine solche Modification
müssen die mehrern Objecte, welche einem und demsel-
ben Vorstellenden vorschweben, sich gegenseitig schaf-
fen. — Die fernere Untersuchung des §. 29., welcher ge-
mäſs die Vorstellungen jener Objecte als Kräfte wider
einander wirken müssen, geht schon über das Allgemeine
hinaus, was bey allen gegebenen Widersprüchen einer-
ley Gang des Denkens, oder einerley Methode erfordert.
Das Resultat der Methode ist allemal die Vervielfältigung
eines von den beyden Gliedern des gegebenen Wider-
spruchs; welches das zu vervielfältigende Glied sey, muſs
man aus der Eigenthümlichkeit des Problems beurtheilen.
Z. B. beym Ich wird es Niemandem einfallen, eine Mehr-
heit der Subjecte anzunehmen, um diese dem Objecte
gleich zu setzen; weil dies geradezu die Einheit des Be-
wuſstseyns aufheben würde.

Zu dem nämlichen Resultate führt ein anderer, kür-
zerer Weg, der aber gleich Anfangs durch eine Hypo-
these betreten wird. Da M für sich nicht gleich N seyn
kann: so werde M durch irgend ein X modificirt, und in
so fern gleich N. Nun enthält der Hauptbegriff nur M
und N. Um sich also vom Gegebenen so wenig als mög-
lich zu entfernen, und keine fremdartigen Merkmale eines
beliebig angenommenen X zuzulassen: setze man X gleich
M; so hat man mehrere M, wie zuvor. Das Object im
Ich werde durch irgend ein X modificirt, um dem Subjecte
gleich seyn zu können. Aber was für ein X wird man
in den Begriff des Ich einlassen dürfen, der nichts anderes
kennt, als nur Object und Subject? Die geringste mögliche
Abweichung von dem gegebenen Begriff besteht darin, ein
Object durch ein anderes modificiren zu lassen. So

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[131/0151] des derselben einzeln genommen die alte Schwierig- keit der Identität mit N, welche nicht denkbar und doch durchs Gegebene gefordert ist, erneuern werde; daher man voraussetzen muſs, daſs sie zusammengenommen eine gewisse Modification erlangen werden, aus welcher dasjenige hervorgehe, was dem andern Gliede des Haupt- begriffs gleich zu setzen sey. Eine solche Modification müssen die mehrern Objecte, welche einem und demsel- ben Vorstellenden vorschweben, sich gegenseitig schaf- fen. — Die fernere Untersuchung des §. 29., welcher ge- mäſs die Vorstellungen jener Objecte als Kräfte wider einander wirken müssen, geht schon über das Allgemeine hinaus, was bey allen gegebenen Widersprüchen einer- ley Gang des Denkens, oder einerley Methode erfordert. Das Resultat der Methode ist allemal die Vervielfältigung eines von den beyden Gliedern des gegebenen Wider- spruchs; welches das zu vervielfältigende Glied sey, muſs man aus der Eigenthümlichkeit des Problems beurtheilen. Z. B. beym Ich wird es Niemandem einfallen, eine Mehr- heit der Subjecte anzunehmen, um diese dem Objecte gleich zu setzen; weil dies geradezu die Einheit des Be- wuſstseyns aufheben würde. Zu dem nämlichen Resultate führt ein anderer, kür- zerer Weg, der aber gleich Anfangs durch eine Hypo- these betreten wird. Da M für sich nicht gleich N seyn kann: so werde M durch irgend ein X modificirt, und in so fern gleich N. Nun enthält der Hauptbegriff nur M und N. Um sich also vom Gegebenen so wenig als mög- lich zu entfernen, und keine fremdartigen Merkmale eines beliebig angenommenen X zuzulassen: setze man X gleich M; so hat man mehrere M, wie zuvor. Das Object im Ich werde durch irgend ein X modificirt, um dem Subjecte gleich seyn zu können. Aber was für ein X wird man in den Begriff des Ich einlassen dürfen, der nichts anderes kennt, als nur Object und Subject? Die geringste mögliche Abweichung von dem gegebenen Begriff besteht darin, ein Object durch ein anderes modificiren zu lassen. So I 2

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/151>, abgerufen am 24.11.2024.