Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

absolute Position geradezu ausschlägt *). In solchen Ge-
gensätzen steht schon das Mannigfaltige als solches; dann
die Mannigfaltigkeit überhaupt wider die Einheit, endlich
vollends das Widerstreben in diesem Mannigfaltigen.
Also auch hier ist an Qualität eines Seyenden nicht zu
denken; sondern nur an ein Zusammen mit andern und
andern Wesen, sammt den Folgen davon, den Störun-
rungen und Selbsterhaltungen.

Nun sind die Selbsterhaltungen innere Thätigkeiten
eines Wesens; sie sind aber nichts äusseres, oder nach
aussen hin gerichtetes. Sollen deren mehrere unmittelbar
zusammen oder wider einander wirken (wie hier die Vor-
stellungen): so müssen sie die verschiedenen Selbsterhal-
tungen eines einzigen Wesens seyn. Daraus erhellet die
Einfachheit der vorstellenden Substanz, oder der Seele.

Hiermit wäre nun in der Kürze der Weg der allge-
mein-metaphysischen Untersuchungen nachgewiesen, wel-
chen man gehen muss, um die Beweise der vorhin auf-
gestellten Behauptungen zu finden. Begreiflicher Weise
kann ich mich hier nicht auf ausführliche Erörterungen
dessen einlassen, was an seinem rechten Orte ohne alle
unmittelbare Beziehung auf Psychologie entwickelt wird.
Wohl aber kann ich denjenigen Lesern, welche neben
der gegenwärtigen Schrift meine Hauptpuncte der Meta-
physik nicht bloss anzusehen, sondern ernstlich zu durch-
denken geneigt seyn möchten, durch die, in der Ueber-
schrift dieses Capitels angekündigte Vergleichung zwi-
schen den Untersuchungen über das Ich, und denen, die
zu den Begriffen von Substanz und Ursache führen, zu
Hülfe kommen; denn eine solche Vergleichung wird
eben so sehr zur genauern Einsicht in das Räsonne-
ment des vorigen Capitels, als zum leichtern Verständ-

*) Bequemere Dienste, als die äusserst gedrängten Hauptpuncte
der Metaphysik, wird für manche der hier berührten allgemein-meta-
physischen Gegenstände mein Lehrbuch zur Einleitung in die Philoso-
phie leisten können. Man vergleiche daselbst §§. 97. 101. und beson-
ders §. 113.

absolute Position geradezu ausschlägt *). In solchen Ge-
gensätzen steht schon das Mannigfaltige als solches; dann
die Mannigfaltigkeit überhaupt wider die Einheit, endlich
vollends das Widerstreben in diesem Mannigfaltigen.
Also auch hier ist an Qualität eines Seyenden nicht zu
denken; sondern nur an ein Zusammen mit andern und
andern Wesen, sammt den Folgen davon, den Störun-
rungen und Selbsterhaltungen.

Nun sind die Selbsterhaltungen innere Thätigkeiten
eines Wesens; sie sind aber nichts äuſseres, oder nach
auſsen hin gerichtetes. Sollen deren mehrere unmittelbar
zusammen oder wider einander wirken (wie hier die Vor-
stellungen): so müssen sie die verschiedenen Selbsterhal-
tungen eines einzigen Wesens seyn. Daraus erhellet die
Einfachheit der vorstellenden Substanz, oder der Seele.

Hiermit wäre nun in der Kürze der Weg der allge-
mein-metaphysischen Untersuchungen nachgewiesen, wel-
chen man gehen muſs, um die Beweise der vorhin auf-
gestellten Behauptungen zu finden. Begreiflicher Weise
kann ich mich hier nicht auf ausführliche Erörterungen
dessen einlassen, was an seinem rechten Orte ohne alle
unmittelbare Beziehung auf Psychologie entwickelt wird.
Wohl aber kann ich denjenigen Lesern, welche neben
der gegenwärtigen Schrift meine Hauptpuncte der Meta-
physik nicht bloſs anzusehen, sondern ernstlich zu durch-
denken geneigt seyn möchten, durch die, in der Ueber-
schrift dieses Capitels angekündigte Vergleichung zwi-
schen den Untersuchungen über das Ich, und denen, die
zu den Begriffen von Substanz und Ursache führen, zu
Hülfe kommen; denn eine solche Vergleichung wird
eben so sehr zur genauern Einsicht in das Räsonne-
ment des vorigen Capitels, als zum leichtern Verständ-

*) Bequemere Dienste, als die äuſserst gedrängten Hauptpuncte
der Metaphysik, wird für manche der hier berührten allgemein-meta-
physischen Gegenstände mein Lehrbuch zur Einleitung in die Philoso-
phie leisten können. Man vergleiche daselbst §§. 97. 101. und beson-
ders §. 113.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0139" n="119"/>
absolute Position geradezu ausschlägt <note place="foot" n="*)">Bequemere Dienste, als die äu&#x017F;serst gedrängten Hauptpuncte<lb/>
der Metaphysik, wird für manche der hier berührten allgemein-meta-<lb/>
physischen Gegenstände mein Lehrbuch zur Einleitung in die Philoso-<lb/>
phie leisten können. Man vergleiche daselbst §§. 97. 101. und beson-<lb/>
ders §. 113.</note>. In solchen Ge-<lb/>
gensätzen steht schon das Mannigfaltige als solches; dann<lb/>
die Mannigfaltigkeit überhaupt wider die Einheit, endlich<lb/>
vollends das Widerstreben in diesem Mannigfaltigen.<lb/>
Also auch hier ist an Qualität eines Seyenden nicht zu<lb/>
denken; sondern nur an ein Zusammen mit andern und<lb/>
andern Wesen, sammt den Folgen davon, den Störun-<lb/>
rungen und Selbsterhaltungen.</p><lb/>
              <p>Nun sind die Selbsterhaltungen innere Thätigkeiten<lb/>
eines Wesens; sie sind aber nichts äu&#x017F;seres, oder nach<lb/>
au&#x017F;sen hin gerichtetes. Sollen deren mehrere unmittelbar<lb/>
zusammen oder wider einander wirken (wie hier die Vor-<lb/>
stellungen): so müssen sie die verschiedenen Selbsterhal-<lb/>
tungen eines einzigen Wesens seyn. Daraus erhellet die<lb/>
Einfachheit der vorstellenden Substanz, oder der Seele.</p><lb/>
              <p>Hiermit wäre nun in der Kürze der Weg der allge-<lb/>
mein-metaphysischen Untersuchungen nachgewiesen, wel-<lb/>
chen man gehen mu&#x017F;s, um die Beweise der vorhin auf-<lb/>
gestellten Behauptungen zu finden. Begreiflicher Weise<lb/>
kann ich mich hier nicht auf ausführliche Erörterungen<lb/>
dessen einlassen, was an seinem rechten Orte ohne alle<lb/>
unmittelbare Beziehung auf Psychologie entwickelt wird.<lb/>
Wohl aber kann ich denjenigen Lesern, welche neben<lb/>
der gegenwärtigen Schrift meine Hauptpuncte der Meta-<lb/>
physik nicht blo&#x017F;s anzusehen, sondern ernstlich zu durch-<lb/>
denken geneigt seyn möchten, durch die, in der Ueber-<lb/>
schrift dieses Capitels angekündigte Vergleichung zwi-<lb/>
schen den Untersuchungen über das Ich, und denen, die<lb/>
zu den Begriffen von Substanz und Ursache führen, zu<lb/>
Hülfe kommen; denn eine solche Vergleichung wird<lb/>
eben so sehr zur genauern Einsicht in das Räsonne-<lb/>
ment des vorigen Capitels, als zum leichtern Verständ-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0139] absolute Position geradezu ausschlägt *). In solchen Ge- gensätzen steht schon das Mannigfaltige als solches; dann die Mannigfaltigkeit überhaupt wider die Einheit, endlich vollends das Widerstreben in diesem Mannigfaltigen. Also auch hier ist an Qualität eines Seyenden nicht zu denken; sondern nur an ein Zusammen mit andern und andern Wesen, sammt den Folgen davon, den Störun- rungen und Selbsterhaltungen. Nun sind die Selbsterhaltungen innere Thätigkeiten eines Wesens; sie sind aber nichts äuſseres, oder nach auſsen hin gerichtetes. Sollen deren mehrere unmittelbar zusammen oder wider einander wirken (wie hier die Vor- stellungen): so müssen sie die verschiedenen Selbsterhal- tungen eines einzigen Wesens seyn. Daraus erhellet die Einfachheit der vorstellenden Substanz, oder der Seele. Hiermit wäre nun in der Kürze der Weg der allge- mein-metaphysischen Untersuchungen nachgewiesen, wel- chen man gehen muſs, um die Beweise der vorhin auf- gestellten Behauptungen zu finden. Begreiflicher Weise kann ich mich hier nicht auf ausführliche Erörterungen dessen einlassen, was an seinem rechten Orte ohne alle unmittelbare Beziehung auf Psychologie entwickelt wird. Wohl aber kann ich denjenigen Lesern, welche neben der gegenwärtigen Schrift meine Hauptpuncte der Meta- physik nicht bloſs anzusehen, sondern ernstlich zu durch- denken geneigt seyn möchten, durch die, in der Ueber- schrift dieses Capitels angekündigte Vergleichung zwi- schen den Untersuchungen über das Ich, und denen, die zu den Begriffen von Substanz und Ursache führen, zu Hülfe kommen; denn eine solche Vergleichung wird eben so sehr zur genauern Einsicht in das Räsonne- ment des vorigen Capitels, als zum leichtern Verständ- *) Bequemere Dienste, als die äuſserst gedrängten Hauptpuncte der Metaphysik, wird für manche der hier berührten allgemein-meta- physischen Gegenstände mein Lehrbuch zur Einleitung in die Philoso- phie leisten können. Man vergleiche daselbst §§. 97. 101. und beson- ders §. 113.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/139
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/139>, abgerufen am 27.04.2024.