Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Erinnerung an die Göttingische Katastrophe im Jahr 1837. Königsberg, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
"nen Gebrauche behalten; niemals aber un-
"ternehmen, unmittelbar auf das Zeitalter
"einzuwirken. Das ist eine Anmassung, so
"lange noch die verschiedenen Systeme der
"Philosophie einander widerstreiten. Und
"die Folge ist, dass Staat und Kirche an-
"fangen, die Philosophie zu fürchten und
"deren freye Ausbildung zu beschränken.
"In diese Gefahr wird zu allen Zeiten je-
"der einzelne Philosoph die übrigen setzen,
"sobald er vergisst, dass nicht die Zeit,
"sondern das Unzeitliche, sein eigentlicher
"Gegenstand ist. Nur die höchste Anspruch-
"losigkeit kann den Denkern ein so ruhiges
"äusseres Leben sichern, als nöthig ist, um
"der Speculation ihre gehörige Reife zu ge-
"ben. Und nur vereinigte Kräfte, gleich de-
"nen der heutigen Mathematiker und Physi-
"ker, die sich Jeder ganz auf ihre Wissen-
"schaft legen, und die meistens einträchtig
"zusammenarbeiten, -- können eine so grosse
"Wirkung hervorbringen, die heilsam, und
"von selbst, allmählig, und durch viele Mit-
"telglieder, auf das Ganze der menschlichen
"Angelegenheiten übergeht."

„nen Gebrauche behalten; niemals aber un-
„ternehmen, unmittelbar auf das Zeitalter
„einzuwirken. Das ist eine Anmassung, so
„lange noch die verschiedenen Systeme der
„Philosophie einander widerstreiten. Und
„die Folge ist, dass Staat und Kirche an-
„fangen, die Philosophie zu fürchten und
„deren freye Ausbildung zu beschränken.
„In diese Gefahr wird zu allen Zeiten je-
„der einzelne Philosoph die übrigen setzen,
„sobald er vergisst, dass nicht die Zeit,
„sondern das Unzeitliche, sein eigentlicher
„Gegenstand ist. Nur die höchste Anspruch-
„losigkeit kann den Denkern ein so ruhiges
„äusseres Leben sichern, als nöthig ist, um
„der Speculation ihre gehörige Reife zu ge-
„ben. Und nur vereinigte Kräfte, gleich de-
„nen der heutigen Mathematiker und Physi-
„ker, die sich Jeder ganz auf ihre Wissen-
„schaft legen, und die meistens einträchtig
„zusammenarbeiten, — können eine so grosse
„Wirkung hervorbringen, die heilsam, und
„von selbst, allmählig, und durch viele Mit-
„telglieder, auf das Ganze der menschlichen
„Angelegenheiten übergeht.‟

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#aq"><pb facs="#f0047" n="43"/>
&#x201E;nen Gebrauche behalten; niemals aber un-<lb/>
&#x201E;ternehmen, unmittelbar auf das Zeitalter<lb/>
&#x201E;einzuwirken. Das ist eine Anmassun<hi rendition="#i">g</hi>, so<lb/>
&#x201E;lange noch die verschiedenen Systeme der<lb/>
&#x201E;Philosophie einander widerstreiten. Und<lb/>
&#x201E;die Fol<hi rendition="#i">g</hi>e ist, dass Staat und Kirche an-<lb/>
&#x201E;fangen, die Philosophie zu fürchten und<lb/>
&#x201E;deren freye Ausbildung zu beschränken.<lb/>
&#x201E;In diese Gefahr wird zu allen Zeiten je-<lb/>
&#x201E;der einzelne Philosoph die übrigen setzen,<lb/>
&#x201E;sobald er vergisst, dass nicht die Zeit,<lb/>
&#x201E;sondern das Unzeitliche, sein eigentlicher<lb/>
&#x201E;Gegenstand ist. Nur die höchste Anspruch-<lb/>
&#x201E;losigkeit kann den Denkern ein so ruhiges<lb/>
&#x201E;äusseres Leben sichern, als nöthig ist, um<lb/>
&#x201E;der Speculation ihre gehörige Reife zu ge-<lb/>
&#x201E;ben. Und nur vereinigte Kräfte, gleich de-<lb/>
&#x201E;nen der heutigen Mathematiker und Physi-<lb/>
&#x201E;ker, die sich Jeder ganz auf ihre Wissen-<lb/>
&#x201E;schaft legen, und die meistens einträchtig<lb/>
&#x201E;zusammenarbeiten, &#x2014; können eine so grosse<lb/>
&#x201E;Wirkung hervorbringen, die heilsam, und<lb/>
&#x201E;von selbst, allmählig, und durch viele Mit-<lb/>
&#x201E;telglieder, auf das Ganze der menschlichen<lb/>
&#x201E;Angelegenheiten übergeht.&#x201F;</hi> </quote>
        </cit>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0047] „nen Gebrauche behalten; niemals aber un- „ternehmen, unmittelbar auf das Zeitalter „einzuwirken. Das ist eine Anmassung, so „lange noch die verschiedenen Systeme der „Philosophie einander widerstreiten. Und „die Folge ist, dass Staat und Kirche an- „fangen, die Philosophie zu fürchten und „deren freye Ausbildung zu beschränken. „In diese Gefahr wird zu allen Zeiten je- „der einzelne Philosoph die übrigen setzen, „sobald er vergisst, dass nicht die Zeit, „sondern das Unzeitliche, sein eigentlicher „Gegenstand ist. Nur die höchste Anspruch- „losigkeit kann den Denkern ein so ruhiges „äusseres Leben sichern, als nöthig ist, um „der Speculation ihre gehörige Reife zu ge- „ben. Und nur vereinigte Kräfte, gleich de- „nen der heutigen Mathematiker und Physi- „ker, die sich Jeder ganz auf ihre Wissen- „schaft legen, und die meistens einträchtig „zusammenarbeiten, — können eine so grosse „Wirkung hervorbringen, die heilsam, und „von selbst, allmählig, und durch viele Mit- „telglieder, auf das Ganze der menschlichen „Angelegenheiten übergeht.‟

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_goettingen_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_goettingen_1842/47
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Erinnerung an die Göttingische Katastrophe im Jahr 1837. Königsberg, 1842, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_goettingen_1842/47>, abgerufen am 23.04.2024.