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Helmholtz, Hermann von: Theorie der Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik 57 (1860), Heft 1, S. 1-72.

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Helmholtz, über Luftschwingungen in offenen Röhren.
den etwas höheren Tönen, welche Poisson als unmöglich betrachtet; diese
kommen ohne Schwierigkeit zu Stande.

Es hat übrigens Quet*) diese Unzulänglichkeiten von Poissons Theorie,
die nicht nothwendig aus seiner Fundamentalhypothese fliessen, verbessert,
während er sich übrigens dieser Hypothese anschliesst und ihre Richtigkeit
wahrscheinlich zu machen sucht.

Hopkins**) hat die Beschränkung, welche in Poissons Grenzbedin-
gung für das offene Ende der Röhre liegt, weggelassen und nur die Be-
dingung festgehalten, dass der Druck am offenen Ende klein sein müsse, und
dadurch die Möglichkeit offen behalten, in seinen Formeln die Uebereinstimmung
mit den Thatsachen vollständig zu bewahren, aber freilich bleiben die Con-
stanten, von denen die Lage der Knotenflächen und die Phasenunterschiede in
den einzelnen Theilen der Röhre abhängen, in der Theorie unbekannt. Da-
gegen hat Hopkins eine Reihe wichtiger Versuche über die Lage der Knoten-
punkte und die Tonhöhe ausgeführt, um eine jener Constanten wenigstens
empirisch zu bestimmen.

Duhamel+) stellte sich zur Aufgabe, den Einfluss der der Axe nicht
parallelen Bewegungen in Röhren zu ermitteln. Da er aber für das offene
Ende sich mit der einfachen Annahme begnügt, dass hier der Druck gleich
Null sei, verschwindet der Einfluss, den die seitlichen Bewegungen der Luft-
theile hier haben aus seiner Rechnung, und er kommt zu dem Schlusse, dass
die Differenz zwischen Theorie und Erfahrung nicht von dem Vorkommen
solcher Bewegungen abhängt.

Masson++) endlich vertheidigt die Theorie von Poisson im Ganzen
und sucht die Uebereinstimmung zwischen ihr und der Erfahrung durch eine
neue Hypothese über die Bewegungsart der Luft in dem der Anblaseöffnung
nächsten Abschnitte der Luftsäule herzustellen.

Uebrigens ist es klar, dass, sobald die Gestalt des ganzen Luftraums,
sowohl des inneren der Pfeife als des äusseren, gegeben ist -- wir nehmen
ihn im Folgenden immer als von festen Wänden begrenzt an -- und wenn
ferner die den Schall erregenden Kräfte gegeben sind, die Aufgabe mathe-

*) Liouville Journal, Tom. XX, p. 1.
**) Transactions of the Cambridge Philos. Soc. Vol. V. -- Poggendorfs Annalen
Bd. XLIV, p. 246.
+) Liouville Journal, Tom. XIV, p. 49.
++) Annales de Chimie et de Physique, Ser. 3, Tom. XL, p. 418.

Helmholtz, über Luftschwingungen in offenen Röhren.
den etwas höheren Tönen, welche Poisson als unmöglich betrachtet; diese
kommen ohne Schwierigkeit zu Stande.

Es hat übrigens Quet*) diese Unzulänglichkeiten von Poissons Theorie,
die nicht nothwendig aus seiner Fundamentalhypothese flieſsen, verbessert,
während er sich übrigens dieser Hypothese anschlieſst und ihre Richtigkeit
wahrscheinlich zu machen sucht.

Hopkins**) hat die Beschränkung, welche in Poissons Grenzbedin-
gung für das offene Ende der Röhre liegt, weggelassen und nur die Be-
dingung festgehalten, daſs der Druck am offenen Ende klein sein müsse, und
dadurch die Möglichkeit offen behalten, in seinen Formeln die Uebereinstimmung
mit den Thatsachen vollständig zu bewahren, aber freilich bleiben die Con-
stanten, von denen die Lage der Knotenflächen und die Phasenunterschiede in
den einzelnen Theilen der Röhre abhängen, in der Theorie unbekannt. Da-
gegen hat Hopkins eine Reihe wichtiger Versuche über die Lage der Knoten-
punkte und die Tonhöhe ausgeführt, um eine jener Constanten wenigstens
empirisch zu bestimmen.

Duhamel†) stellte sich zur Aufgabe, den Einfluſs der der Axe nicht
parallelen Bewegungen in Röhren zu ermitteln. Da er aber für das offene
Ende sich mit der einfachen Annahme begnügt, daſs hier der Druck gleich
Null sei, verschwindet der Einfluſs, den die seitlichen Bewegungen der Luft-
theile hier haben aus seiner Rechnung, und er kommt zu dem Schlusse, daſs
die Differenz zwischen Theorie und Erfahrung nicht von dem Vorkommen
solcher Bewegungen abhängt.

Masson††) endlich vertheidigt die Theorie von Poisson im Ganzen
und sucht die Uebereinstimmung zwischen ihr und der Erfahrung durch eine
neue Hypothese über die Bewegungsart der Luft in dem der Anblaseöffnung
nächsten Abschnitte der Luftsäule herzustellen.

Uebrigens ist es klar, daſs, sobald die Gestalt des ganzen Luftraums,
sowohl des inneren der Pfeife als des äuſseren, gegeben ist — wir nehmen
ihn im Folgenden immer als von festen Wänden begrenzt an — und wenn
ferner die den Schall erregenden Kräfte gegeben sind, die Aufgabe mathe-

*) Liouville Journal, Tom. XX, p. 1.
**) Transactions of the Cambridge Philos. Soc. Vol. V. — Poggendorfs Annalen
Bd. XLIV, p. 246.
†) Liouville Journal, Tom. XIV, p. 49.
††) Annales de Chimie et de Physique, Sér. 3, Tom. XL, p. 418.
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[4/0014] Helmholtz, über Luftschwingungen in offenen Röhren. den etwas höheren Tönen, welche Poisson als unmöglich betrachtet; diese kommen ohne Schwierigkeit zu Stande. Es hat übrigens Quet *) diese Unzulänglichkeiten von Poissons Theorie, die nicht nothwendig aus seiner Fundamentalhypothese flieſsen, verbessert, während er sich übrigens dieser Hypothese anschlieſst und ihre Richtigkeit wahrscheinlich zu machen sucht. Hopkins **) hat die Beschränkung, welche in Poissons Grenzbedin- gung für das offene Ende der Röhre liegt, weggelassen und nur die Be- dingung festgehalten, daſs der Druck am offenen Ende klein sein müsse, und dadurch die Möglichkeit offen behalten, in seinen Formeln die Uebereinstimmung mit den Thatsachen vollständig zu bewahren, aber freilich bleiben die Con- stanten, von denen die Lage der Knotenflächen und die Phasenunterschiede in den einzelnen Theilen der Röhre abhängen, in der Theorie unbekannt. Da- gegen hat Hopkins eine Reihe wichtiger Versuche über die Lage der Knoten- punkte und die Tonhöhe ausgeführt, um eine jener Constanten wenigstens empirisch zu bestimmen. Duhamel †) stellte sich zur Aufgabe, den Einfluſs der der Axe nicht parallelen Bewegungen in Röhren zu ermitteln. Da er aber für das offene Ende sich mit der einfachen Annahme begnügt, daſs hier der Druck gleich Null sei, verschwindet der Einfluſs, den die seitlichen Bewegungen der Luft- theile hier haben aus seiner Rechnung, und er kommt zu dem Schlusse, daſs die Differenz zwischen Theorie und Erfahrung nicht von dem Vorkommen solcher Bewegungen abhängt. Masson ††) endlich vertheidigt die Theorie von Poisson im Ganzen und sucht die Uebereinstimmung zwischen ihr und der Erfahrung durch eine neue Hypothese über die Bewegungsart der Luft in dem der Anblaseöffnung nächsten Abschnitte der Luftsäule herzustellen. Uebrigens ist es klar, daſs, sobald die Gestalt des ganzen Luftraums, sowohl des inneren der Pfeife als des äuſseren, gegeben ist — wir nehmen ihn im Folgenden immer als von festen Wänden begrenzt an — und wenn ferner die den Schall erregenden Kräfte gegeben sind, die Aufgabe mathe- *) Liouville Journal, Tom. XX, p. 1. **) Transactions of the Cambridge Philos. Soc. Vol. V. — Poggendorfs Annalen Bd. XLIV, p. 246. †) Liouville Journal, Tom. XIV, p. 49. ††) Annales de Chimie et de Physique, Sér. 3, Tom. XL, p. 418.

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Zitationshilfe: Helmholtz, Hermann von: Theorie der Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik 57 (1860), Heft 1, S. 1-72, hier S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/helmholtz_luftschwingungen_1860/14>, abgerufen am 29.03.2024.