Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

ständliches zu sich nimt; und kann nichts anders
als sich selbst denken, wie Aristoteles tiefsinnig
sagt. Denken überhaupt ist Verwandlung des
Wesens in Formen; und Wesen muß alles selbst
werden, was es denkt.

Wenn Wesen sich zu Idealen formt, ent-
steht Phantasie.

Wenn es die Ideale in sich, und die For-
men außer sich befestigt, Gedächtniß. Sonnen,
und Planeten und Kometen sind nichts anders
in der großen Welt; Formen in Bewegung,
Denkmale von Leben.

Alle Gefühle, alle Arten von Leidenschaf-
ten, Schmerzen und Vergnügen sind nur ver-
schiedne Formen in dem Wesen.

Ohne diesen fruchtbarsten aller Grundsätze
von reinem Wesen und Form, ohne Continuum,
das alle mögliche Formen wird, scheint die ganze
Welt, aller Zusammenhang, Erhalten, Wach-
sen, Zeugen, Vergehen, der Mensch, sein

Den-

ſtaͤndliches zu ſich nimt; und kann nichts anders
als ſich ſelbſt denken, wie Ariſtoteles tiefſinnig
ſagt. Denken uͤberhaupt iſt Verwandlung des
Weſens in Formen; und Weſen muß alles ſelbſt
werden, was es denkt.

Wenn Weſen ſich zu Idealen formt, ent-
ſteht Phantaſie.

Wenn es die Ideale in ſich, und die For-
men außer ſich befeſtigt, Gedaͤchtniß. Sonnen,
und Planeten und Kometen ſind nichts anders
in der großen Welt; Formen in Bewegung,
Denkmale von Leben.

Alle Gefuͤhle, alle Arten von Leidenſchaf-
ten, Schmerzen und Vergnuͤgen ſind nur ver-
ſchiedne Formen in dem Weſen.

Ohne dieſen fruchtbarſten aller Grundſaͤtze
von reinem Weſen und Form, ohne Continuum,
das alle moͤgliche Formen wird, ſcheint die ganze
Welt, aller Zuſammenhang, Erhalten, Wach-
ſen, Zeugen, Vergehen, der Menſch, ſein

Den-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0230" n="222"/>
&#x017F;ta&#x0364;ndliches zu &#x017F;ich nimt; und kann nichts anders<lb/>
als &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t denken, wie <hi rendition="#fr">Ari&#x017F;toteles</hi> tief&#x017F;innig<lb/>
&#x017F;agt. Denken u&#x0364;berhaupt i&#x017F;t Verwandlung des<lb/>
We&#x017F;ens in Formen; und We&#x017F;en muß alles &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
werden, was es denkt.</p><lb/>
          <p>Wenn We&#x017F;en &#x017F;ich zu Idealen formt, ent-<lb/>
&#x017F;teht Phanta&#x017F;ie.</p><lb/>
          <p>Wenn es die Ideale in &#x017F;ich, und die For-<lb/>
men außer &#x017F;ich befe&#x017F;tigt, Geda&#x0364;chtniß. Sonnen,<lb/>
und Planeten und Kometen &#x017F;ind nichts anders<lb/>
in der großen Welt; Formen in Bewegung,<lb/>
Denkmale von Leben.</p><lb/>
          <p>Alle Gefu&#x0364;hle, alle Arten von Leiden&#x017F;chaf-<lb/>
ten, Schmerzen und Vergnu&#x0364;gen &#x017F;ind nur ver-<lb/>
&#x017F;chiedne Formen in dem We&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Ohne die&#x017F;en fruchtbar&#x017F;ten aller Grund&#x017F;a&#x0364;tze<lb/>
von reinem We&#x017F;en und Form, ohne Continuum,<lb/>
das alle mo&#x0364;gliche Formen wird, &#x017F;cheint die ganze<lb/>
Welt, aller Zu&#x017F;ammenhang, Erhalten, Wach-<lb/>
&#x017F;en, Zeugen, Vergehen, der Men&#x017F;ch, &#x017F;ein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Den-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0230] ſtaͤndliches zu ſich nimt; und kann nichts anders als ſich ſelbſt denken, wie Ariſtoteles tiefſinnig ſagt. Denken uͤberhaupt iſt Verwandlung des Weſens in Formen; und Weſen muß alles ſelbſt werden, was es denkt. Wenn Weſen ſich zu Idealen formt, ent- ſteht Phantaſie. Wenn es die Ideale in ſich, und die For- men außer ſich befeſtigt, Gedaͤchtniß. Sonnen, und Planeten und Kometen ſind nichts anders in der großen Welt; Formen in Bewegung, Denkmale von Leben. Alle Gefuͤhle, alle Arten von Leidenſchaf- ten, Schmerzen und Vergnuͤgen ſind nur ver- ſchiedne Formen in dem Weſen. Ohne dieſen fruchtbarſten aller Grundſaͤtze von reinem Weſen und Form, ohne Continuum, das alle moͤgliche Formen wird, ſcheint die ganze Welt, aller Zuſammenhang, Erhalten, Wach- ſen, Zeugen, Vergehen, der Menſch, ſein Den-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/230
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/230>, abgerufen am 24.11.2024.