Demetri. Woher wißt ihr das? Und doch schon genug, wenn er sich so wohl befindet! er kann nicht mehr, als die Materie aufs beste verarbeiten, in die er kömmt. Die Natur geht äußerst langsam und bedächtig in ihren Fortschrit- ten, sie hat unendliche Jahrtausende vor sich; und wir nur einen Augenblick Lebensdauer in der Komposizion, sie zu beobachten.
Ardinghello. Mich däucht, ihr hättet schon gesagt, im Anfange wär alles besser gewe- sen. Vielleicht sind wir doch von der Höhe des Bogens herunter!
Aber Freund, warum kann der Verstand den Körper nicht umändern, wenn er unge- staltet, häßlich, oder krank ist? warum nicht verjüngen?
Wolken, lieber Demetri, nichts als Wol- ken und metaphysische Träume! Nehmen wir lieber doch noch die gewöhnliche Meinung an, die ihr kurz vorhin verwarft. Ich glaube, daß,
so
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Demetri. Woher wißt ihr das? Und doch ſchon genug, wenn er ſich ſo wohl befindet! er kann nicht mehr, als die Materie aufs beſte verarbeiten, in die er koͤmmt. Die Natur geht aͤußerſt langſam und bedaͤchtig in ihren Fortſchrit- ten, ſie hat unendliche Jahrtauſende vor ſich; und wir nur einen Augenblick Lebensdauer in der Kompoſizion, ſie zu beobachten.
Ardinghello. Mich daͤucht, ihr haͤttet ſchon geſagt, im Anfange waͤr alles beſſer gewe- ſen. Vielleicht ſind wir doch von der Hoͤhe des Bogens herunter!
Aber Freund, warum kann der Verſtand den Koͤrper nicht umaͤndern, wenn er unge- ſtaltet, haͤßlich, oder krank iſt? warum nicht verjuͤngen?
Wolken, lieber Demetri, nichts als Wol- ken und metaphyſiſche Traͤume! Nehmen wir lieber doch noch die gewoͤhnliche Meinung an, die ihr kurz vorhin verwarft. Ich glaube, daß,
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Demetri. Woher wißt ihr das? Und
doch ſchon genug, wenn er ſich ſo wohl befindet!
er kann nicht mehr, als die Materie aufs beſte
verarbeiten, in die er koͤmmt. Die Natur geht
aͤußerſt langſam und bedaͤchtig in ihren Fortſchrit-
ten, ſie hat unendliche Jahrtauſende vor ſich;
und wir nur einen Augenblick Lebensdauer in der
Kompoſizion, ſie zu beobachten.
Ardinghello. Mich daͤucht, ihr haͤttet
ſchon geſagt, im Anfange waͤr alles beſſer gewe-
ſen. Vielleicht ſind wir doch von der Hoͤhe des
Bogens herunter!
Aber Freund, warum kann der Verſtand
den Koͤrper nicht umaͤndern, wenn er unge-
ſtaltet, haͤßlich, oder krank iſt? warum nicht
verjuͤngen?
Wolken, lieber Demetri, nichts als Wol-
ken und metaphyſiſche Traͤume! Nehmen wir
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/209>, abgerufen am 22.11.2024.
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