Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

leicht nur bey dem Fürsten der Philosophen!
Andre müssen wenigstens ein Schachspiel dazwi-
schen setzen.) Und doch soll derselbe ein besonder
eigen Theilchen, wie er sich ausdrückt, nur der
menschlichen Seele seyn, und sagt, diejenigen
hätten Recht, die ihn darin den Ort der For-
men
nennten; Denken, Urtheilen wäre Auf-
nehmung, Schaffung von Formen
. Die
sinnliche Kraft der Seele könne nicht ohne Kör-
per bestehen; der Verstand aber davon abgeson-
dert werden, er sey sich allein Materie. Nur
sey er leidend und vergänglich, insofern er etwas
denke, und sich an etwas erinnere; gleichsam
wie der Sonnenstrahl, wenn er an den Din-
gen Farbe wird
. Das Denken aber und Er-
innern mache sein Wesen nicht aus; an und für
sich selbst denk er nichts, und so sey er unsterblich.

Folglich ist die Seele, als Verstand be-
trachtet, nur unsterblich, insofern sie nichts
denkt.

Dieß
M 2

leicht nur bey dem Fuͤrſten der Philoſophen!
Andre muͤſſen wenigſtens ein Schachſpiel dazwi-
ſchen ſetzen.) Und doch ſoll derſelbe ein beſonder
eigen Theilchen, wie er ſich ausdruͤckt, nur der
menſchlichen Seele ſeyn, und ſagt, diejenigen
haͤtten Recht, die ihn darin den Ort der For-
men
nennten; Denken, Urtheilen waͤre Auf-
nehmung, Schaffung von Formen
. Die
ſinnliche Kraft der Seele koͤnne nicht ohne Koͤr-
per beſtehen; der Verſtand aber davon abgeſon-
dert werden, er ſey ſich allein Materie. Nur
ſey er leidend und vergaͤnglich, inſofern er etwas
denke, und ſich an etwas erinnere; gleichſam
wie der Sonnenſtrahl, wenn er an den Din-
gen Farbe wird
. Das Denken aber und Er-
innern mache ſein Weſen nicht aus; an und fuͤr
ſich ſelbſt denk er nichts, und ſo ſey er unſterblich.

Folglich iſt die Seele, als Verſtand be-
trachtet, nur unſterblich, inſofern ſie nichts
denkt.

Dieß
M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0187" n="179"/>
leicht nur bey dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten der Philo&#x017F;ophen!<lb/>
Andre mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wenig&#x017F;tens ein Schach&#x017F;piel dazwi-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;etzen.) Und doch &#x017F;oll der&#x017F;elbe ein be&#x017F;onder<lb/>
eigen Theilchen, wie er &#x017F;ich ausdru&#x0364;ckt, nur der<lb/>
men&#x017F;chlichen Seele &#x017F;eyn, und &#x017F;agt, diejenigen<lb/>
ha&#x0364;tten Recht, die ihn darin den <hi rendition="#fr">Ort der For-<lb/>
men</hi> nennten; <hi rendition="#fr">Denken, Urtheilen</hi> wa&#x0364;re <hi rendition="#fr">Auf-<lb/>
nehmung, Schaffung von Formen</hi>. Die<lb/>
&#x017F;innliche Kraft der Seele ko&#x0364;nne nicht ohne Ko&#x0364;r-<lb/>
per be&#x017F;tehen; der Ver&#x017F;tand aber davon abge&#x017F;on-<lb/>
dert werden, er &#x017F;ey &#x017F;ich allein Materie. Nur<lb/>
&#x017F;ey er leidend und verga&#x0364;nglich, in&#x017F;ofern er etwas<lb/>
denke, und &#x017F;ich an etwas erinnere; gleich&#x017F;am<lb/>
wie der <hi rendition="#fr">Sonnen&#x017F;trahl, wenn er an den Din-<lb/>
gen Farbe wird</hi>. Das Denken aber und Er-<lb/>
innern mache &#x017F;ein We&#x017F;en nicht aus; an und fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t denk er nichts, und &#x017F;o &#x017F;ey er un&#x017F;terblich.</p><lb/>
          <p>Folglich i&#x017F;t die Seele, als Ver&#x017F;tand be-<lb/>
trachtet, nur un&#x017F;terblich, in&#x017F;ofern &#x017F;ie nichts<lb/>
denkt.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">M 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Dieß</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0187] leicht nur bey dem Fuͤrſten der Philoſophen! Andre muͤſſen wenigſtens ein Schachſpiel dazwi- ſchen ſetzen.) Und doch ſoll derſelbe ein beſonder eigen Theilchen, wie er ſich ausdruͤckt, nur der menſchlichen Seele ſeyn, und ſagt, diejenigen haͤtten Recht, die ihn darin den Ort der For- men nennten; Denken, Urtheilen waͤre Auf- nehmung, Schaffung von Formen. Die ſinnliche Kraft der Seele koͤnne nicht ohne Koͤr- per beſtehen; der Verſtand aber davon abgeſon- dert werden, er ſey ſich allein Materie. Nur ſey er leidend und vergaͤnglich, inſofern er etwas denke, und ſich an etwas erinnere; gleichſam wie der Sonnenſtrahl, wenn er an den Din- gen Farbe wird. Das Denken aber und Er- innern mache ſein Weſen nicht aus; an und fuͤr ſich ſelbſt denk er nichts, und ſo ſey er unſterblich. Folglich iſt die Seele, als Verſtand be- trachtet, nur unſterblich, inſofern ſie nichts denkt. Dieß M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/187
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/187>, abgerufen am 19.05.2024.