Verlangen kochendem Herzen nach ihrer Lust, von üppigem Muth alle Nerven geschwellt: und widerstehe mit kalter Ueberlegung der Gefahren, die vielleicht auf dich warten, indeß der günstig- ste Wind über dir in den Wipfeln hinsäuselt! Was ist das, daß der Mensch so nach Ruhe trachtet, und sie hernach doch nicht leiden kann? Daß das Ziel keins mehr für ihn ist, so bald er es erreicht hat, und er immer ein neues haben muß? Ach, unser Wesen hat keinen Frieden, und Brand und Gluth in und über alles ist des- sen erste Urkraft!
Wo ich gehe und stehe, schwebt sie mir vor Augen; ich strecke meine Arme nach ihr aus, und meine Füße bewegen sich von selbst nach dem Ort ihres Aufenthalts. In diesen Kreis bin ich wie gebannt, und mir scheint kein ander Licht. O sie ist so ganz, was ich wünsche! und alles andre, was ich schon genossen habe, dünkt mir nur ein Vorschmack von der Fülle ihrer Seeligkeit.
Flo-
Verlangen kochendem Herzen nach ihrer Luſt, von uͤppigem Muth alle Nerven geſchwellt: und widerſtehe mit kalter Ueberlegung der Gefahren, die vielleicht auf dich warten, indeß der guͤnſtig- ſte Wind uͤber dir in den Wipfeln hinſaͤuſelt! Was iſt das, daß der Menſch ſo nach Ruhe trachtet, und ſie hernach doch nicht leiden kann? Daß das Ziel keins mehr fuͤr ihn iſt, ſo bald er es erreicht hat, und er immer ein neues haben muß? Ach, unſer Weſen hat keinen Frieden, und Brand und Gluth in und uͤber alles iſt deſ- ſen erſte Urkraft!
Wo ich gehe und ſtehe, ſchwebt ſie mir vor Augen; ich ſtrecke meine Arme nach ihr aus, und meine Fuͤße bewegen ſich von ſelbſt nach dem Ort ihres Aufenthalts. In dieſen Kreis bin ich wie gebannt, und mir ſcheint kein ander Licht. O ſie iſt ſo ganz, was ich wuͤnſche! und alles andre, was ich ſchon genoſſen habe, duͤnkt mir nur ein Vorſchmack von der Fuͤlle ihrer Seeligkeit.
Flo-
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Verlangen kochendem Herzen nach ihrer Luſt,
von uͤppigem Muth alle Nerven geſchwellt: und
widerſtehe mit kalter Ueberlegung der Gefahren,
die vielleicht auf dich warten, indeß der guͤnſtig-
ſte Wind uͤber dir in den Wipfeln hinſaͤuſelt!
Was iſt das, daß der Menſch ſo nach Ruhe
trachtet, und ſie hernach doch nicht leiden kann?
Daß das Ziel keins mehr fuͤr ihn iſt, ſo bald er
es erreicht hat, und er immer ein neues haben
muß? Ach, unſer Weſen hat keinen Frieden,
und Brand und Gluth in und uͤber alles iſt deſ-
ſen erſte Urkraft!
Wo ich gehe und ſtehe, ſchwebt ſie mir vor
Augen; ich ſtrecke meine Arme nach ihr aus,
und meine Fuͤße bewegen ſich von ſelbſt nach dem
Ort ihres Aufenthalts. In dieſen Kreis bin ich
wie gebannt, und mir ſcheint kein ander Licht.
O ſie iſt ſo ganz, was ich wuͤnſche! und alles
andre, was ich ſchon genoſſen habe, duͤnkt mir
nur ein Vorſchmack von der Fuͤlle ihrer Seeligkeit.
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/12>, abgerufen am 21.11.2024.
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