Felsen! der Mörder voll räuberischem Wesen in Gestalt und Stellung und jeder Gebehrde bis auf Kleidung und Kolorit! der Heilige hat ganz das Entsetzen eines Ueberfallnen, und eines gu- ten weichen Mannes, der sein Leben banditenmä- ßig verliert: auf seinem Gesichte ist die Blässe der Todesangst; und mit welcher Natur in der Lage ist er niedergeworfen! der, welcher flieht, eben so täuschend in allen Theilen. Die drey Fi- guren machen einen vortreflichen Kontrast in Stellung, Charakter und Kolorit und den Ge- wändern von Mönchs und Räubertracht. Welch ein treflicher Ton im Ganzen, und wie schön hält es die Beleuchtung zusammen!"
"Dieß half etwas, aber wenig, ich hatte kei- ne Ruhe. Endlich erschien sie doch, und armer Tizian, wie fielst du weg! O alle Kunst neige dich vor der Natur! Sie zog zur Pforte herein, den Kopf in eure Tracht versteckt, wie im dün- nen Gewölk aufgehende Sonne, vor ihrem
Glanz
Felſen! der Moͤrder voll raͤuberiſchem Weſen in Geſtalt und Stellung und jeder Gebehrde bis auf Kleidung und Kolorit! der Heilige hat ganz das Entſetzen eines Ueberfallnen, und eines gu- ten weichen Mannes, der ſein Leben banditenmaͤ- ßig verliert: auf ſeinem Geſichte iſt die Blaͤſſe der Todesangſt; und mit welcher Natur in der Lage iſt er niedergeworfen! der, welcher flieht, eben ſo taͤuſchend in allen Theilen. Die drey Fi- guren machen einen vortreflichen Kontraſt in Stellung, Charakter und Kolorit und den Ge- waͤndern von Moͤnchs und Raͤubertracht. Welch ein treflicher Ton im Ganzen, und wie ſchoͤn haͤlt es die Beleuchtung zuſammen!“
„Dieß half etwas, aber wenig, ich hatte kei- ne Ruhe. Endlich erſchien ſie doch, und armer Tizian, wie fielſt du weg! O alle Kunſt neige dich vor der Natur! Sie zog zur Pforte herein, den Kopf in eure Tracht verſteckt, wie im duͤn- nen Gewoͤlk aufgehende Sonne, vor ihrem
Glanz
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Felſen! der Moͤrder voll raͤuberiſchem Weſen in
Geſtalt und Stellung und jeder Gebehrde bis
auf Kleidung und Kolorit! der Heilige hat ganz
das Entſetzen eines Ueberfallnen, und eines gu-
ten weichen Mannes, der ſein Leben banditenmaͤ-
ßig verliert: auf ſeinem Geſichte iſt die Blaͤſſe
der Todesangſt; und mit welcher Natur in der
Lage iſt er niedergeworfen! der, welcher flieht,
eben ſo taͤuſchend in allen Theilen. Die drey Fi-
guren machen einen vortreflichen Kontraſt in
Stellung, Charakter und Kolorit und den Ge-
waͤndern von Moͤnchs und Raͤubertracht. Welch
ein treflicher Ton im Ganzen, und wie ſchoͤn
haͤlt es die Beleuchtung zuſammen!“
„Dieß half etwas, aber wenig, ich hatte kei-
ne Ruhe. Endlich erſchien ſie doch, und armer
Tizian, wie fielſt du weg! O alle Kunſt neige
dich vor der Natur! Sie zog zur Pforte herein,
den Kopf in eure Tracht verſteckt, wie im duͤn-
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/92>, abgerufen am 24.11.2024.
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