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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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dersprüchen am besten die Wahrheit, die man sonst
selten aus den verborgnen Tiefen eifersüchtiger
Virtuosen hervorhohlt. Ich kenne das kleine Ge-
mählde von Michel Angelo wohl; wie vielmal
ist es nicht kopirt worden! nur wünscht ich,
daß die Figuren in Lebensgröße wären. Ich kann
das kleine nicht leiden, es geht mir wider den
Sinn; und ist ein Schlupfwinkel, wohinein sich
Mittelmäßigkeit und Schwäche verbirgt, und bey
Weibern und Kindern und Unverständigen groß
thut."

Ich antwortete ihm, daß ich hierin gar sehr
seiner Meinung wäre, daß aber doch am Ende
alle Kunst blos Zeichen sey, und Verstand und
Geist am mehrsten von einem Menschen entschei-
de; und daß, wer keinen Verstand habe, nirgend-
wo oben an stehen könne. Michel Angelo hätte
sich übrigens mit seinen Enakskindern, den
Propheten und Sybillen genug gerechtfertigt.
Unterdessen sey wieder wahr, es könn einer au-

ßer-

derſpruͤchen am beſten die Wahrheit, die man ſonſt
ſelten aus den verborgnen Tiefen eiferſuͤchtiger
Virtuoſen hervorhohlt. Ich kenne das kleine Ge-
maͤhlde von Michel Angelo wohl; wie vielmal
iſt es nicht kopirt worden! nur wuͤnſcht ich,
daß die Figuren in Lebensgroͤße waͤren. Ich kann
das kleine nicht leiden, es geht mir wider den
Sinn; und iſt ein Schlupfwinkel, wohinein ſich
Mittelmaͤßigkeit und Schwaͤche verbirgt, und bey
Weibern und Kindern und Unverſtaͤndigen groß
thut.“

Ich antwortete ihm, daß ich hierin gar ſehr
ſeiner Meinung waͤre, daß aber doch am Ende
alle Kunſt blos Zeichen ſey, und Verſtand und
Geiſt am mehrſten von einem Menſchen entſchei-
de; und daß, wer keinen Verſtand habe, nirgend-
wo oben an ſtehen koͤnne. Michel Angelo haͤtte
ſich uͤbrigens mit ſeinen Enakskindern, den
Propheten und Sybillen genug gerechtfertigt.
Unterdeſſen ſey wieder wahr, es koͤnn einer au-

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[344/0350] derſpruͤchen am beſten die Wahrheit, die man ſonſt ſelten aus den verborgnen Tiefen eiferſuͤchtiger Virtuoſen hervorhohlt. Ich kenne das kleine Ge- maͤhlde von Michel Angelo wohl; wie vielmal iſt es nicht kopirt worden! nur wuͤnſcht ich, daß die Figuren in Lebensgroͤße waͤren. Ich kann das kleine nicht leiden, es geht mir wider den Sinn; und iſt ein Schlupfwinkel, wohinein ſich Mittelmaͤßigkeit und Schwaͤche verbirgt, und bey Weibern und Kindern und Unverſtaͤndigen groß thut.“ Ich antwortete ihm, daß ich hierin gar ſehr ſeiner Meinung waͤre, daß aber doch am Ende alle Kunſt blos Zeichen ſey, und Verſtand und Geiſt am mehrſten von einem Menſchen entſchei- de; und daß, wer keinen Verſtand habe, nirgend- wo oben an ſtehen koͤnne. Michel Angelo haͤtte ſich uͤbrigens mit ſeinen Enakskindern, den Propheten und Sybillen genug gerechtfertigt. Unterdeſſen ſey wieder wahr, es koͤnn einer au- ßer-

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/350>, abgerufen am 25.11.2024.