Das erstemal wagte sie nicht, nach dir zu fragen; aber das Spiel ihrer Blicke um mich, deinetwegen, war mir ein Himmelreich. Sie erröthete, wurde blaß, seufzte, suchte sich zu ver- bergen: doch die Natur triumphirte: ihr Busen wallte stärker, und sie kam endlich zu mir, und ließ sich mit mir in ein Gespräch ein, lieblich und traulich. Ich faßte mich dabey so, als ob ich in diesen Augenblicken deiner nicht gedächte; und sie ging froher von mir, sie mochte nun arg- wohnen oder nicht argwohnen: denn sie mußte fühlen, daß ich ihr wohl wollte, und dieß schon vorher wissen.
Vor wenig Tagen ließ ich mich bey ihres Vaters Pallast anfahren, bey welchem sie noch immer wohnt, bis nach ihrer Niederkunft, um ihren jüngsten Bruder zu besuchen, den ich nun näher kenne; und als er nicht zu Hause war, ging ich inzwischen zu seiner Mutter, und traf Cä- cilien gerade bey ihr. Die Mutter verließ uns
denn
Das erſtemal wagte ſie nicht, nach dir zu fragen; aber das Spiel ihrer Blicke um mich, deinetwegen, war mir ein Himmelreich. Sie erroͤthete, wurde blaß, ſeufzte, ſuchte ſich zu ver- bergen: doch die Natur triumphirte: ihr Buſen wallte ſtaͤrker, und ſie kam endlich zu mir, und ließ ſich mit mir in ein Geſpraͤch ein, lieblich und traulich. Ich faßte mich dabey ſo, als ob ich in dieſen Augenblicken deiner nicht gedaͤchte; und ſie ging froher von mir, ſie mochte nun arg- wohnen oder nicht argwohnen: denn ſie mußte fuͤhlen, daß ich ihr wohl wollte, und dieß ſchon vorher wiſſen.
Vor wenig Tagen ließ ich mich bey ihres Vaters Pallaſt anfahren, bey welchem ſie noch immer wohnt, bis nach ihrer Niederkunft, um ihren juͤngſten Bruder zu beſuchen, den ich nun naͤher kenne; und als er nicht zu Hauſe war, ging ich inzwiſchen zu ſeiner Mutter, und traf Caͤ- cilien gerade bey ihr. Die Mutter verließ uns
denn
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Das erſtemal wagte ſie nicht, nach dir zu
fragen; aber das Spiel ihrer Blicke um mich,
deinetwegen, war mir ein Himmelreich. Sie
erroͤthete, wurde blaß, ſeufzte, ſuchte ſich zu ver-
bergen: doch die Natur triumphirte: ihr Buſen
wallte ſtaͤrker, und ſie kam endlich zu mir, und
ließ ſich mit mir in ein Geſpraͤch ein, lieblich
und traulich. Ich faßte mich dabey ſo, als ob
ich in dieſen Augenblicken deiner nicht gedaͤchte;
und ſie ging froher von mir, ſie mochte nun arg-
wohnen oder nicht argwohnen: denn ſie mußte
fuͤhlen, daß ich ihr wohl wollte, und dieß ſchon
vorher wiſſen.
Vor wenig Tagen ließ ich mich bey ihres
Vaters Pallaſt anfahren, bey welchem ſie noch
immer wohnt, bis nach ihrer Niederkunft, um
ihren juͤngſten Bruder zu beſuchen, den ich nun
naͤher kenne; und als er nicht zu Hauſe war,
ging ich inzwiſchen zu ſeiner Mutter, und traf Caͤ-
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/266>, abgerufen am 22.11.2024.
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