bey allen deinen und meinen Heiligen, ich werde dir kein Leid zufügen!" so faßt ich sie mit Ge- walt bey ihrer Rechten, und hielt sie an mein laut- schlagend Herz.
"Weg von mir grausamer Verderber!" schluchzte sie.
"Komme wieder zu dir, Lucinde! sprach ich ihr ein; sieh! ich berühre dich nicht mehr. Ich bin schon glücklich, wenn ich dich nur sehe; und wenn ich von dir bin, ist alles vor mir in Leerheit. Deine Gestalt allein, auch ohne Wort und Zuneigung, ist mir mehr, als andrer feurige Liebe. Sende mich in Gefahren, worinn ich tau- sendmal mein Leben wage: dein Wink wird mein Gesetz seyn. Du bist meine beßre Seele, die al- le meine Fähigkeiten füllt. Du herrschest über mich, wie mein strengster Verstand; sieh! das zeig ich dir; und alles kann ich für dich thun, außer was mir unmöglich ist."
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bey allen deinen und meinen Heiligen, ich werde dir kein Leid zufuͤgen!“ ſo faßt ich ſie mit Ge- walt bey ihrer Rechten, und hielt ſie an mein laut- ſchlagend Herz.
„Weg von mir grauſamer Verderber!“ ſchluchzte ſie.
„Komme wieder zu dir, Lucinde! ſprach ich ihr ein; ſieh! ich beruͤhre dich nicht mehr. Ich bin ſchon gluͤcklich, wenn ich dich nur ſehe; und wenn ich von dir bin, iſt alles vor mir in Leerheit. Deine Geſtalt allein, auch ohne Wort und Zuneigung, iſt mir mehr, als andrer feurige Liebe. Sende mich in Gefahren, worinn ich tau- ſendmal mein Leben wage: dein Wink wird mein Geſetz ſeyn. Du biſt meine beßre Seele, die al- le meine Faͤhigkeiten fuͤllt. Du herrſcheſt uͤber mich, wie mein ſtrengſter Verſtand; ſieh! das zeig ich dir; und alles kann ich fuͤr dich thun, außer was mir unmoͤglich iſt.“
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bey allen deinen und meinen Heiligen, ich werde
dir kein Leid zufuͤgen!“ ſo faßt ich ſie mit Ge-
walt bey ihrer Rechten, und hielt ſie an mein laut-
ſchlagend Herz.
„Weg von mir grauſamer Verderber!“
ſchluchzte ſie.
„Komme wieder zu dir, Lucinde! ſprach
ich ihr ein; ſieh! ich beruͤhre dich nicht mehr.
Ich bin ſchon gluͤcklich, wenn ich dich nur ſehe;
und wenn ich von dir bin, iſt alles vor mir in
Leerheit. Deine Geſtalt allein, auch ohne Wort
und Zuneigung, iſt mir mehr, als andrer feurige
Liebe. Sende mich in Gefahren, worinn ich tau-
ſendmal mein Leben wage: dein Wink wird mein
Geſetz ſeyn. Du biſt meine beßre Seele, die al-
le meine Faͤhigkeiten fuͤllt. Du herrſcheſt uͤber
mich, wie mein ſtrengſter Verſtand; ſieh! das
zeig ich dir; und alles kann ich fuͤr dich thun,
außer was mir unmoͤglich iſt.“
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/232>, abgerufen am 25.11.2024.
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