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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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Gegen Morgen fuhr er auf, steckte die alte
Handschrift von den Denkwürdigkeiten des So-
krates in die Tasche, die ich ihm fein und wohl-
geschrieben mit auf den Weg gab, und die griechi-
schen lyrischen Dichter von Heinrich Stephan;
warf seine Zithar über die Schulter, daß sie stür-
misch erklang, drückte mich noch einmal an sein Herz,
und küßte seine ganze Seele auf meine Lippen,
und schoß von dannen. Ich erbebte wie von
einem Todesschauer und sank wie ins Grab. O
Elend und Jammer, hienieden ohne Freund zu
seyn! und Stolz und Jubel und Kühnheit, wo
zwey ihr Wesen verdoppeln!

Meine Mutter und ich gingen darauf zu En-
de Oktobers wieder nach Venedig, wo mein Va-
ter aus Dalmazien schon angekommen war. Der
Weg dahin erfüllte mich mit Traurigkeit. Gegend
und Menschen und Gebäude hatten den vorigen
Reiz verloren, und standen da wie Schatten.

Ich

Gegen Morgen fuhr er auf, ſteckte die alte
Handſchrift von den Denkwuͤrdigkeiten des So-
krates in die Taſche, die ich ihm fein und wohl-
geſchrieben mit auf den Weg gab, und die griechi-
ſchen lyriſchen Dichter von Heinrich Stephan;
warf ſeine Zithar uͤber die Schulter, daß ſie ſtuͤr-
miſch erklang, druͤckte mich noch einmal an ſein Herz,
und kuͤßte ſeine ganze Seele auf meine Lippen,
und ſchoß von dannen. Ich erbebte wie von
einem Todesſchauer und ſank wie ins Grab. O
Elend und Jammer, hienieden ohne Freund zu
ſeyn! und Stolz und Jubel und Kuͤhnheit, wo
zwey ihr Weſen verdoppeln!

Meine Mutter und ich gingen darauf zu En-
de Oktobers wieder nach Venedig, wo mein Va-
ter aus Dalmazien ſchon angekommen war. Der
Weg dahin erfuͤllte mich mit Traurigkeit. Gegend
und Menſchen und Gebaͤude hatten den vorigen
Reiz verloren, und ſtanden da wie Schatten.

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[170/0176] Gegen Morgen fuhr er auf, ſteckte die alte Handſchrift von den Denkwuͤrdigkeiten des So- krates in die Taſche, die ich ihm fein und wohl- geſchrieben mit auf den Weg gab, und die griechi- ſchen lyriſchen Dichter von Heinrich Stephan; warf ſeine Zithar uͤber die Schulter, daß ſie ſtuͤr- miſch erklang, druͤckte mich noch einmal an ſein Herz, und kuͤßte ſeine ganze Seele auf meine Lippen, und ſchoß von dannen. Ich erbebte wie von einem Todesſchauer und ſank wie ins Grab. O Elend und Jammer, hienieden ohne Freund zu ſeyn! und Stolz und Jubel und Kuͤhnheit, wo zwey ihr Weſen verdoppeln! Meine Mutter und ich gingen darauf zu En- de Oktobers wieder nach Venedig, wo mein Va- ter aus Dalmazien ſchon angekommen war. Der Weg dahin erfuͤllte mich mit Traurigkeit. Gegend und Menſchen und Gebaͤude hatten den vorigen Reiz verloren, und ſtanden da wie Schatten. Ich

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/176>, abgerufen am 22.11.2024.