Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

was seinen Sinn von der Gegenwart wegwand.
Die Romanze aller Romanzen auf die Insel Rho-
dos besonders entzückte ihn so, daß er sie bald aus-
wendig konnte. Seine Phantasie kam wieder ganz
in das Götterreich der Poesie hinein, die Spiele
griechischer Jugend rissen sein Herz dahin, süße Liebe
und solche Thaten pries er allein ein würdig Früh-
lingsleben; alle seine Kräfte tobten und wurden
ungestüm: er wollte fort in die Welt, in Be-
wegung, auf eine neue Bühne, und war nicht
mehr zu halten.

Keine volle zwey Wochen nach Cäciliens
Abreise brach er auf. Er schrieb vorher an seine
Tante um einen Wechsel nach Genua; er gedachte
von dort nach Frankreich zu schiffen, und dadurch
nach Spanien zu wandern, bis an die letzten
Küsten von Portugall. Mir band er unterdessen
Cäcilien aufs Herz, und daß ich ihm von ihr bey
jeder guter Gelegenheit Nachricht geben sollte.
So bald sie frey wäre, müßte vermittelt werden,
daß wir alle drey zusammen eine Freundschaft

aus-
L 4

was ſeinen Sinn von der Gegenwart wegwand.
Die Romanze aller Romanzen auf die Inſel Rho-
dos beſonders entzuͤckte ihn ſo, daß er ſie bald aus-
wendig konnte. Seine Phantaſie kam wieder ganz
in das Goͤtterreich der Poeſie hinein, die Spiele
griechiſcher Jugend riſſen ſein Herz dahin, ſuͤße Liebe
und ſolche Thaten pries er allein ein wuͤrdig Fruͤh-
lingsleben; alle ſeine Kraͤfte tobten und wurden
ungeſtuͤm: er wollte fort in die Welt, in Be-
wegung, auf eine neue Buͤhne, und war nicht
mehr zu halten.

Keine volle zwey Wochen nach Caͤciliens
Abreiſe brach er auf. Er ſchrieb vorher an ſeine
Tante um einen Wechſel nach Genua; er gedachte
von dort nach Frankreich zu ſchiffen, und dadurch
nach Spanien zu wandern, bis an die letzten
Kuͤſten von Portugall. Mir band er unterdeſſen
Caͤcilien aufs Herz, und daß ich ihm von ihr bey
jeder guter Gelegenheit Nachricht geben ſollte.
So bald ſie frey waͤre, muͤßte vermittelt werden,
daß wir alle drey zuſammen eine Freundſchaft

aus-
L 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0173" n="167"/>
was &#x017F;einen Sinn von der Gegenwart wegwand.<lb/>
Die Romanze aller Romanzen auf die In&#x017F;el Rho-<lb/>
dos be&#x017F;onders entzu&#x0364;ckte ihn &#x017F;o, daß er &#x017F;ie bald aus-<lb/>
wendig konnte. Seine Phanta&#x017F;ie kam wieder ganz<lb/>
in das Go&#x0364;tterreich der Poe&#x017F;ie hinein, die Spiele<lb/>
griechi&#x017F;cher Jugend ri&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ein Herz dahin, &#x017F;u&#x0364;ße Liebe<lb/>
und &#x017F;olche Thaten pries er allein ein wu&#x0364;rdig Fru&#x0364;h-<lb/>
lingsleben; alle &#x017F;eine Kra&#x0364;fte tobten und wurden<lb/>
unge&#x017F;tu&#x0364;m: er wollte fort in die Welt, in Be-<lb/>
wegung, auf eine neue Bu&#x0364;hne, und war nicht<lb/>
mehr zu halten.</p><lb/>
        <p>Keine volle zwey Wochen nach Ca&#x0364;ciliens<lb/>
Abrei&#x017F;e brach er auf. Er &#x017F;chrieb vorher an &#x017F;eine<lb/>
Tante um einen Wech&#x017F;el nach Genua; er gedachte<lb/>
von dort nach Frankreich zu &#x017F;chiffen, und dadurch<lb/>
nach Spanien zu wandern, bis an die letzten<lb/>
Ku&#x0364;&#x017F;ten von Portugall. Mir band er unterde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Ca&#x0364;cilien aufs Herz, und daß ich ihm von ihr bey<lb/>
jeder guter Gelegenheit Nachricht geben &#x017F;ollte.<lb/>
So bald &#x017F;ie frey wa&#x0364;re, mu&#x0364;ßte vermittelt werden,<lb/>
daß wir alle drey zu&#x017F;ammen eine Freund&#x017F;chaft<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 4</fw><fw place="bottom" type="catch">aus-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0173] was ſeinen Sinn von der Gegenwart wegwand. Die Romanze aller Romanzen auf die Inſel Rho- dos beſonders entzuͤckte ihn ſo, daß er ſie bald aus- wendig konnte. Seine Phantaſie kam wieder ganz in das Goͤtterreich der Poeſie hinein, die Spiele griechiſcher Jugend riſſen ſein Herz dahin, ſuͤße Liebe und ſolche Thaten pries er allein ein wuͤrdig Fruͤh- lingsleben; alle ſeine Kraͤfte tobten und wurden ungeſtuͤm: er wollte fort in die Welt, in Be- wegung, auf eine neue Buͤhne, und war nicht mehr zu halten. Keine volle zwey Wochen nach Caͤciliens Abreiſe brach er auf. Er ſchrieb vorher an ſeine Tante um einen Wechſel nach Genua; er gedachte von dort nach Frankreich zu ſchiffen, und dadurch nach Spanien zu wandern, bis an die letzten Kuͤſten von Portugall. Mir band er unterdeſſen Caͤcilien aufs Herz, und daß ich ihm von ihr bey jeder guter Gelegenheit Nachricht geben ſollte. So bald ſie frey waͤre, muͤßte vermittelt werden, daß wir alle drey zuſammen eine Freundſchaft aus- L 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/173
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/173>, abgerufen am 23.11.2024.