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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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hatte die Mahlerey zum Besten; schien zwar dem
holden Jüngling in seiner Beschäftigung gern
zuzusehen, warf so gar unverstellte Blicke auf ihn,
wie man auf Schönheit wirft: aber alles wie fremd
und zum erstenmal; und ihre Worte hatten im-
mer etwas von dem vornehmeren Ton gegen einen,
den man für seine Arbeit bezahlt.

Die erste Sitzung geschah des Nachmittags
gegen Abend. Nach wenig Umriß und Zeich-
nung fing er sogleich am Kopf an zu mahlen.
Sie saß den andern Morgen beym Frühstück noch
einmal; und dann wollt er sie nicht weiter plagen,
außer bey der Vollendung, um hier und da nach-
zuhelfen. Den Nachmittag und ganzen dritten
Tag und vierten Morgen bracht er damit fast
allein zu: und siehe da! sie kam heraus wie völ-
lig lebendig. Alt und jung bewunderten die er-
staunliche Gleichheit. Er hatte sie in einem
leichten sömmerlichen Morgenanzuge vorgestellt,
meist von grüner Seide, worunter die vollkomm-

nen

hatte die Mahlerey zum Beſten; ſchien zwar dem
holden Juͤngling in ſeiner Beſchaͤftigung gern
zuzuſehen, warf ſo gar unverſtellte Blicke auf ihn,
wie man auf Schoͤnheit wirft: aber alles wie fremd
und zum erſtenmal; und ihre Worte hatten im-
mer etwas von dem vornehmeren Ton gegen einen,
den man fuͤr ſeine Arbeit bezahlt.

Die erſte Sitzung geſchah des Nachmittags
gegen Abend. Nach wenig Umriß und Zeich-
nung fing er ſogleich am Kopf an zu mahlen.
Sie ſaß den andern Morgen beym Fruͤhſtuͤck noch
einmal; und dann wollt er ſie nicht weiter plagen,
außer bey der Vollendung, um hier und da nach-
zuhelfen. Den Nachmittag und ganzen dritten
Tag und vierten Morgen bracht er damit faſt
allein zu: und ſiehe da! ſie kam heraus wie voͤl-
lig lebendig. Alt und jung bewunderten die er-
ſtaunliche Gleichheit. Er hatte ſie in einem
leichten ſoͤmmerlichen Morgenanzuge vorgeſtellt,
meiſt von gruͤner Seide, worunter die vollkomm-

nen
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[127/0133] hatte die Mahlerey zum Beſten; ſchien zwar dem holden Juͤngling in ſeiner Beſchaͤftigung gern zuzuſehen, warf ſo gar unverſtellte Blicke auf ihn, wie man auf Schoͤnheit wirft: aber alles wie fremd und zum erſtenmal; und ihre Worte hatten im- mer etwas von dem vornehmeren Ton gegen einen, den man fuͤr ſeine Arbeit bezahlt. Die erſte Sitzung geſchah des Nachmittags gegen Abend. Nach wenig Umriß und Zeich- nung fing er ſogleich am Kopf an zu mahlen. Sie ſaß den andern Morgen beym Fruͤhſtuͤck noch einmal; und dann wollt er ſie nicht weiter plagen, außer bey der Vollendung, um hier und da nach- zuhelfen. Den Nachmittag und ganzen dritten Tag und vierten Morgen bracht er damit faſt allein zu: und ſiehe da! ſie kam heraus wie voͤl- lig lebendig. Alt und jung bewunderten die er- ſtaunliche Gleichheit. Er hatte ſie in einem leichten ſoͤmmerlichen Morgenanzuge vorgeſtellt, meiſt von gruͤner Seide, worunter die vollkomm- nen

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/133>, abgerufen am 24.11.2024.