betrift, laß ichs noch angehen, und deine Ent- schuldigung wäre bey jedem andern gut gewesen.
Lieber! versetzte er darauf, mein Schutz- geist hat mich davon abgehalten. Ich glaube, daß jeder Mensch einen Dämon hat, der ihm sagt, was er thun soll, und daß Sokrates nicht einen allein hatte; wenn wir nur dessen Stim- me hören, und uns nicht übereilen wollten. In je- dem Menschen wohnt ein Gott, und wer sein inner Gefühl geläutert hat, vernimmt ohne Wort und Zeichen dessen Orakelsprüche; er kennt seinen eignen höhern Ursprung, sein Gebiet über die Natur, und ist nichts unterthan."
"Ich stamme aus einem der guten Häuser von Florenz: mein Vater war Astorre Fresco- baldi, und meine Mutter, Maria, von der verfolgten Familie der Albizi! beyde sind nicht mehr, und ich bin allein noch übrig, ihr erstes und letztes Kind. Mein Vater entbrannte in Leidenschaft für Isabellen, die dritte Tochter
des
betrift, laß ichs noch angehen, und deine Ent- ſchuldigung waͤre bey jedem andern gut geweſen.
Lieber! verſetzte er darauf, mein Schutz- geiſt hat mich davon abgehalten. Ich glaube, daß jeder Menſch einen Daͤmon hat, der ihm ſagt, was er thun ſoll, und daß Sokrates nicht einen allein hatte; wenn wir nur deſſen Stim- me hoͤren, und uns nicht uͤbereilen wollten. In je- dem Menſchen wohnt ein Gott, und wer ſein inner Gefuͤhl gelaͤutert hat, vernimmt ohne Wort und Zeichen deſſen Orakelſpruͤche; er kennt ſeinen eignen hoͤhern Urſprung, ſein Gebiet uͤber die Natur, und iſt nichts unterthan.“
„Ich ſtamme aus einem der guten Haͤuſer von Florenz: mein Vater war Aſtorre Fresco- baldi, und meine Mutter, Maria, von der verfolgten Familie der Albizi! beyde ſind nicht mehr, und ich bin allein noch uͤbrig, ihr erſtes und letztes Kind. Mein Vater entbrannte in Leidenſchaft fuͤr Iſabellen, die dritte Tochter
des
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betrift, laß ichs noch angehen, und deine Ent-
ſchuldigung waͤre bey jedem andern gut geweſen.
Lieber! verſetzte er darauf, mein Schutz-
geiſt hat mich davon abgehalten. Ich glaube,
daß jeder Menſch einen Daͤmon hat, der ihm
ſagt, was er thun ſoll, und daß Sokrates nicht
einen allein hatte; wenn wir nur deſſen Stim-
me hoͤren, und uns nicht uͤbereilen wollten. In je-
dem Menſchen wohnt ein Gott, und wer ſein
inner Gefuͤhl gelaͤutert hat, vernimmt ohne Wort
und Zeichen deſſen Orakelſpruͤche; er kennt ſeinen
eignen hoͤhern Urſprung, ſein Gebiet uͤber die
Natur, und iſt nichts unterthan.“
„Ich ſtamme aus einem der guten Haͤuſer
von Florenz: mein Vater war Aſtorre Fresco-
baldi, und meine Mutter, Maria, von der
verfolgten Familie der Albizi! beyde ſind nicht
mehr, und ich bin allein noch uͤbrig, ihr erſtes
und letztes Kind. Mein Vater entbrannte in
Leidenſchaft fuͤr Iſabellen, die dritte Tochter
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/110>, abgerufen am 22.11.2024.
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