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Heine, Heinrich: Deutschland. Ein Wintermährchen. Hamburg, 1844.

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gestellt. Ich mußte mich dem fatalen Geschäfte
des Umarbeitens nochmals unterziehen, und da
mag es wohl geschehen seyn, daß die ernsten
Töne mehr als nöthig abgedämpft oder von den
Schellen des Humors gar zu heiter überklingelt
wurden. Einigen nackten Gedanken habe ich
im hastigen Unmuth ihre Feigenblätter wieder
abgerissen, und zimperlich spröde Ohren habe
ich vielleicht verletzt. Es ist mir leid, aber ich
tröste mich mit dem Bewußtseyn, daß größere
Autoren sich ähnliche Vergehen zu Schulden
kommen ließen. Des Aristophanes will ich zu
solcher Beschönigung gar nicht erwähnen, denn
der war ein blinder Heide, und sein Publikum
zu Athen hatte zwar eine klassische Erziehung
genossen, wußte aber wenig von Sittlichkeit.
Auf Cervantes und Moliere könnte ich mich
schon viel besser berufen; und ersterer schrieb
für den hohen Adel beider Castilien, letzterer
für den großen König und den großen Hof von
Versailles! Ach, ich vergesse, daß wir in einer

geſtellt. Ich mußte mich dem fatalen Geſchäfte
des Umarbeitens nochmals unterziehen, und da
mag es wohl geſchehen ſeyn, daß die ernſten
Töne mehr als nöthig abgedämpft oder von den
Schellen des Humors gar zu heiter überklingelt
wurden. Einigen nackten Gedanken habe ich
im haſtigen Unmuth ihre Feigenblätter wieder
abgeriſſen, und zimperlich ſpröde Ohren habe
ich vielleicht verletzt. Es iſt mir leid, aber ich
tröſte mich mit dem Bewußtſeyn, daß größere
Autoren ſich ähnliche Vergehen zu Schulden
kommen ließen. Des Ariſtophanes will ich zu
ſolcher Beſchönigung gar nicht erwähnen, denn
der war ein blinder Heide, und ſein Publikum
zu Athen hatte zwar eine klaſſiſche Erziehung
genoſſen, wußte aber wenig von Sittlichkeit.
Auf Cervantes und Molière könnte ich mich
ſchon viel beſſer berufen; und erſterer ſchrieb
für den hohen Adel beider Caſtilien, letzterer
für den großen König und den großen Hof von
Verſailles! Ach, ich vergeſſe, daß wir in einer

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[VI/0014] geſtellt. Ich mußte mich dem fatalen Geſchäfte des Umarbeitens nochmals unterziehen, und da mag es wohl geſchehen ſeyn, daß die ernſten Töne mehr als nöthig abgedämpft oder von den Schellen des Humors gar zu heiter überklingelt wurden. Einigen nackten Gedanken habe ich im haſtigen Unmuth ihre Feigenblätter wieder abgeriſſen, und zimperlich ſpröde Ohren habe ich vielleicht verletzt. Es iſt mir leid, aber ich tröſte mich mit dem Bewußtſeyn, daß größere Autoren ſich ähnliche Vergehen zu Schulden kommen ließen. Des Ariſtophanes will ich zu ſolcher Beſchönigung gar nicht erwähnen, denn der war ein blinder Heide, und ſein Publikum zu Athen hatte zwar eine klaſſiſche Erziehung genoſſen, wußte aber wenig von Sittlichkeit. Auf Cervantes und Molière könnte ich mich ſchon viel beſſer berufen; und erſterer ſchrieb für den hohen Adel beider Caſtilien, letzterer für den großen König und den großen Hof von Verſailles! Ach, ich vergeſſe, daß wir in einer

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Deutschland. Ein Wintermährchen. Hamburg, 1844, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_wintermaehrchen_1844/14>, abgerufen am 23.11.2024.