Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Wie die Helden der Revoluzion, so hat man
die Revoluzion selbst verläumdet, und sie als ein
Fürstenschreckniß und eine Volkscheuche dargestellt
in Libellen aller Art. Man hat in den Schulen
all die sogenannten Greuel der Revoluzion von den
Kindern auswendig lernen lassen, und auf den Jahr¬
märkten sah man, einige Zeit, nichts anderes als
grellkolorirte Bilder der Guillotine. Es ist freylich
nicht zu läugnen, diese Maschine, die ein französi¬
scher Arzt, ein großer Welt-Orthopäde, Monsieur
Guillotin, erfunden hat, und womit man die
dummen Köpfe von den bösen Herzen sehr leicht
trennen kann, diese heilsame Maschine hat man
etwas oft angewandt, aber doch nur bey unheil¬
baren Krankheiten, z. B. bey Verrath, Lüge und
Schwäche, und man hat die Patienten nicht lang
gequält, nicht gefoltert, und nicht gerädert, wie
einst tausende und aber tausende Rotüriers und
Vilains, Bürger und Bauern, gequält, gefoltert
und gerädert wurden, in der guten alten Zeit.

Wie die Helden der Revoluzion, ſo hat man
die Revoluzion ſelbſt verlaͤumdet, und ſie als ein
Fuͤrſtenſchreckniß und eine Volkſcheuche dargeſtellt
in Libellen aller Art. Man hat in den Schulen
all die ſogenannten Greuel der Revoluzion von den
Kindern auswendig lernen laſſen, und auf den Jahr¬
maͤrkten ſah man, einige Zeit, nichts anderes als
grellkolorirte Bilder der Guillotine. Es iſt freylich
nicht zu laͤugnen, dieſe Maſchine, die ein franzoͤſi¬
ſcher Arzt, ein großer Welt-Orthopaͤde, Monſieur
Guillotin, erfunden hat, und womit man die
dummen Koͤpfe von den boͤſen Herzen ſehr leicht
trennen kann, dieſe heilſame Maſchine hat man
etwas oft angewandt, aber doch nur bey unheil¬
baren Krankheiten, z. B. bey Verrath, Luͤge und
Schwaͤche, und man hat die Patienten nicht lang
gequaͤlt, nicht gefoltert, und nicht geraͤdert, wie
einſt tauſende und aber tauſende Rotuͤriers und
Vilains, Buͤrger und Bauern, gequaͤlt, gefoltert
und geraͤdert wurden, in der guten alten Zeit.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0324" n="310"/>
          <p>Wie die Helden der Revoluzion, &#x017F;o hat man<lb/>
die Revoluzion &#x017F;elb&#x017F;t verla&#x0364;umdet, und &#x017F;ie als ein<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten&#x017F;chreckniß und eine Volk&#x017F;cheuche darge&#x017F;tellt<lb/>
in Libellen aller Art. Man hat in den Schulen<lb/>
all die &#x017F;ogenannten Greuel der Revoluzion von den<lb/>
Kindern auswendig lernen la&#x017F;&#x017F;en, und auf den Jahr¬<lb/>
ma&#x0364;rkten &#x017F;ah man, einige Zeit, nichts anderes als<lb/>
grellkolorirte Bilder der Guillotine. Es i&#x017F;t freylich<lb/>
nicht zu la&#x0364;ugnen, die&#x017F;e Ma&#x017F;chine, die ein franzo&#x0364;&#x017F;<lb/>
&#x017F;cher Arzt, ein großer Welt-Orthopa&#x0364;de, Mon&#x017F;ieur<lb/>
Guillotin, erfunden hat, und womit man die<lb/>
dummen Ko&#x0364;pfe von den bo&#x0364;&#x017F;en Herzen &#x017F;ehr leicht<lb/>
trennen kann, die&#x017F;e heil&#x017F;ame Ma&#x017F;chine hat man<lb/>
etwas oft angewandt, aber doch nur bey unheil¬<lb/>
baren Krankheiten, z. B. bey Verrath, Lu&#x0364;ge und<lb/>
Schwa&#x0364;che, und man hat die Patienten nicht lang<lb/>
gequa&#x0364;lt, nicht gefoltert, und nicht gera&#x0364;dert, wie<lb/>
ein&#x017F;t tau&#x017F;ende und aber tau&#x017F;ende Rotu&#x0364;riers und<lb/>
Vilains, Bu&#x0364;rger und Bauern, gequa&#x0364;lt, gefoltert<lb/>
und gera&#x0364;dert wurden, in der guten alten Zeit.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0324] Wie die Helden der Revoluzion, ſo hat man die Revoluzion ſelbſt verlaͤumdet, und ſie als ein Fuͤrſtenſchreckniß und eine Volkſcheuche dargeſtellt in Libellen aller Art. Man hat in den Schulen all die ſogenannten Greuel der Revoluzion von den Kindern auswendig lernen laſſen, und auf den Jahr¬ maͤrkten ſah man, einige Zeit, nichts anderes als grellkolorirte Bilder der Guillotine. Es iſt freylich nicht zu laͤugnen, dieſe Maſchine, die ein franzoͤſi¬ ſcher Arzt, ein großer Welt-Orthopaͤde, Monſieur Guillotin, erfunden hat, und womit man die dummen Koͤpfe von den boͤſen Herzen ſehr leicht trennen kann, dieſe heilſame Maſchine hat man etwas oft angewandt, aber doch nur bey unheil¬ baren Krankheiten, z. B. bey Verrath, Luͤge und Schwaͤche, und man hat die Patienten nicht lang gequaͤlt, nicht gefoltert, und nicht geraͤdert, wie einſt tauſende und aber tauſende Rotuͤriers und Vilains, Buͤrger und Bauern, gequaͤlt, gefoltert und geraͤdert wurden, in der guten alten Zeit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/324
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/324>, abgerufen am 04.05.2024.