Trompeten. Das wissen die Engländer, und daher bietet ihr Parlament auch ein heiteres Schauspiel des unbefangensten Witzes und der witzigsten Un¬ befangenheit, bei den ernsthaftesten Debatten, wo das Leben von Tausenden und das Heil ganzer Länder auf dem Spiel steht, kommt doch keiner von ihnen auf den Einfall ein deutsch steifes Land¬ ständegesicht zu schneiden, oder französisch pathetisch zu declamiren, und wie ihr Leib, so gebährdet sich alsdann auch ihr Geist ganz zwanglos, Scherz, Selbstpersiflage, Sarcasmen, Gemüth und Weis¬ heit, Malice und Güte, Logik und Verse sprudeln hervor im blühendsten Farbenspiel, so daß die An¬ nalen des Parlaments uns noch nach Jahren die geistreichste Unterhaltung gewähren. Wie sehr con¬ trastiren dagegen die öden, ausgestopften, löschpa¬ piernen Reden unserer süddeutschen Kammern, de¬ ren Langweiligkeit auch der geduldigste Zeitungsle¬ ser nicht zu überwinden vermag, ja deren Duft schon einen lebendigen Leser verscheuchen kann, so
Trompeten. Das wiſſen die Englaͤnder, und daher bietet ihr Parlament auch ein heiteres Schauſpiel des unbefangenſten Witzes und der witzigſten Un¬ befangenheit, bei den ernſthafteſten Debatten, wo das Leben von Tauſenden und das Heil ganzer Laͤnder auf dem Spiel ſteht, kommt doch keiner von ihnen auf den Einfall ein deutſch ſteifes Land¬ ſtaͤndegeſicht zu ſchneiden, oder franzoͤſiſch pathetiſch zu declamiren, und wie ihr Leib, ſo gebaͤhrdet ſich alsdann auch ihr Geiſt ganz zwanglos, Scherz, Selbſtperſiflage, Sarcasmen, Gemuͤth und Weis¬ heit, Malice und Guͤte, Logik und Verſe ſprudeln hervor im bluͤhendſten Farbenſpiel, ſo daß die An¬ nalen des Parlaments uns noch nach Jahren die geiſtreichſte Unterhaltung gewaͤhren. Wie ſehr con¬ traſtiren dagegen die oͤden, ausgeſtopften, loͤſchpa¬ piernen Reden unſerer ſuͤddeutſchen Kammern, de¬ ren Langweiligkeit auch der geduldigſte Zeitungsle¬ ſer nicht zu uͤberwinden vermag, ja deren Duft ſchon einen lebendigen Leſer verſcheuchen kann, ſo
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Trompeten. Das wiſſen die Englaͤnder, und daher
bietet ihr Parlament auch ein heiteres Schauſpiel
des unbefangenſten Witzes und der witzigſten Un¬
befangenheit, bei den ernſthafteſten Debatten, wo
das Leben von Tauſenden und das Heil ganzer
Laͤnder auf dem Spiel ſteht, kommt doch keiner
von ihnen auf den Einfall ein deutſch ſteifes Land¬
ſtaͤndegeſicht zu ſchneiden, oder franzoͤſiſch pathetiſch
zu declamiren, und wie ihr Leib, ſo gebaͤhrdet ſich
alsdann auch ihr Geiſt ganz zwanglos, Scherz,
Selbſtperſiflage, Sarcasmen, Gemuͤth und Weis¬
heit, Malice und Guͤte, Logik und Verſe ſprudeln
hervor im bluͤhendſten Farbenſpiel, ſo daß die An¬
nalen des Parlaments uns noch nach Jahren die
geiſtreichſte Unterhaltung gewaͤhren. Wie ſehr con¬
traſtiren dagegen die oͤden, ausgeſtopften, loͤſchpa¬
piernen Reden unſerer ſuͤddeutſchen Kammern, de¬
ren Langweiligkeit auch der geduldigſte Zeitungsle¬
ſer nicht zu uͤberwinden vermag, ja deren Duft
ſchon einen lebendigen Leſer verſcheuchen kann, ſo
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/291>, abgerufen am 24.11.2024.
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