Dergleichen und noch schlimmere Dinge, die der scharfsinnige Berliner Recensent, Varnhagen von Ense, ausspricht, würde ich dem Walter Scott gern verzeihen. Wir sind alle Men¬ schen, und der beste von uns kann einmal ein schlechtes Buch schreiben. Man sagt alsdann, es sey unter aller Kritik, und die Sache ist abge¬ macht. Verwunderlich bleibt es zwar, daß wir in diesem neuen Werke nicht einmal Scotts schö¬ nen Styl wiederfinden. In die farblose, wochen¬ tägliche Rede werden vergebens hie und da etliche rothe, blaue und grüne Worte eingestreut, verge¬ bens sollen glänzende Läppchen aus den Poeten die prosaische Blöße bedecken, vergebens wird die ganze Arche Noä geplündert, um bestialische Ver¬ gleichungen zu liefern, vergebens wird sogar das Wort Gottes citirt, um die dummen Gedanken zu überschilden. Noch verwunderlicher ist es, daß es dem Walter Scott nicht einmal gelang, sein angeborenes Talent der Gestaltenzeichnung auszu¬
Dergleichen und noch ſchlimmere Dinge, die der ſcharfſinnige Berliner Recenſent, Varnhagen von Enſe, ausſpricht, wuͤrde ich dem Walter Scott gern verzeihen. Wir ſind alle Men¬ ſchen, und der beſte von uns kann einmal ein ſchlechtes Buch ſchreiben. Man ſagt alsdann, es ſey unter aller Kritik, und die Sache iſt abge¬ macht. Verwunderlich bleibt es zwar, daß wir in dieſem neuen Werke nicht einmal Scotts ſchoͤ¬ nen Styl wiederfinden. In die farbloſe, wochen¬ taͤgliche Rede werden vergebens hie und da etliche rothe, blaue und gruͤne Worte eingeſtreut, verge¬ bens ſollen glaͤnzende Laͤppchen aus den Poeten die proſaiſche Bloͤße bedecken, vergebens wird die ganze Arche Noaͤ gepluͤndert, um beſtialiſche Ver¬ gleichungen zu liefern, vergebens wird ſogar das Wort Gottes citirt, um die dummen Gedanken zu uͤberſchilden. Noch verwunderlicher iſt es, daß es dem Walter Scott nicht einmal gelang, ſein angeborenes Talent der Geſtaltenzeichnung auszu¬
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Dergleichen und noch ſchlimmere Dinge, die
der ſcharfſinnige Berliner Recenſent, Varnhagen
von Enſe, ausſpricht, wuͤrde ich dem Walter
Scott gern verzeihen. Wir ſind alle Men¬
ſchen, und der beſte von uns kann einmal ein
ſchlechtes Buch ſchreiben. Man ſagt alsdann,
es ſey unter aller Kritik, und die Sache iſt abge¬
macht. Verwunderlich bleibt es zwar, daß wir
in dieſem neuen Werke nicht einmal Scotts ſchoͤ¬
nen Styl wiederfinden. In die farbloſe, wochen¬
taͤgliche Rede werden vergebens hie und da etliche
rothe, blaue und gruͤne Worte eingeſtreut, verge¬
bens ſollen glaͤnzende Laͤppchen aus den Poeten
die proſaiſche Bloͤße bedecken, vergebens wird die
ganze Arche Noaͤ gepluͤndert, um beſtialiſche Ver¬
gleichungen zu liefern, vergebens wird ſogar das
Wort Gottes citirt, um die dummen Gedanken
zu uͤberſchilden. Noch verwunderlicher iſt es, daß
es dem Walter Scott nicht einmal gelang, ſein
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/202>, abgerufen am 22.11.2024.
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