Erstaunen oder Lachen erregen würde, erscheint uns als ganz gewöhnlich und ernsthaft in seiner Vereinigung.
Ich glaube aber, so wird es uns überall ge¬ hen, sogar in solchen Ländern, wovon wir noch seltsamere Begriffe hegen, und wo wir noch rei¬ chere Ausbeute des Lachens und Staunens erwar¬ ten. Unsere Reiselust, unsere Begierde fremde Länder zu sehen, besonders wie wir solche im Knabenalter empfinden, entsteht überhaupt durch jene irrige Erwartung außerordentlicher Kontraste, durch jene geistige Maskeradelust, wo wir Men¬ schen und Denkweise unserer Heimath in jene fremde Länder hineindenken, und solchermaßen un¬ sere besten Bekannten in die fremden Kostüme und Sitten vermummen. Denken wir z. B. an die Hottentotten, so sind es die Damen unserer Va¬ terstadt, die schwarz angestrichen und mit gehöriger Hinterfülle in unserer Vorstellung umhertanzen, während unsere jungen Schöngeister als Busch¬
Erſtaunen oder Lachen erregen wuͤrde, erſcheint uns als ganz gewoͤhnlich und ernſthaft in ſeiner Vereinigung.
Ich glaube aber, ſo wird es uns uͤberall ge¬ hen, ſogar in ſolchen Laͤndern, wovon wir noch ſeltſamere Begriffe hegen, und wo wir noch rei¬ chere Ausbeute des Lachens und Staunens erwar¬ ten. Unſere Reiſeluſt, unſere Begierde fremde Laͤnder zu ſehen, beſonders wie wir ſolche im Knabenalter empfinden, entſteht uͤberhaupt durch jene irrige Erwartung außerordentlicher Kontraſte, durch jene geiſtige Maskeradeluſt, wo wir Men¬ ſchen und Denkweiſe unſerer Heimath in jene fremde Laͤnder hineindenken, und ſolchermaßen un¬ ſere beſten Bekannten in die fremden Koſtuͤme und Sitten vermummen. Denken wir z. B. an die Hottentotten, ſo ſind es die Damen unſerer Va¬ terſtadt, die ſchwarz angeſtrichen und mit gehoͤriger Hinterfuͤlle in unſerer Vorſtellung umhertanzen, waͤhrend unſere jungen Schoͤngeiſter als Buſch¬
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Erſtaunen oder Lachen erregen wuͤrde, erſcheint
uns als ganz gewoͤhnlich und ernſthaft in ſeiner
Vereinigung.
Ich glaube aber, ſo wird es uns uͤberall ge¬
hen, ſogar in ſolchen Laͤndern, wovon wir noch
ſeltſamere Begriffe hegen, und wo wir noch rei¬
chere Ausbeute des Lachens und Staunens erwar¬
ten. Unſere Reiſeluſt, unſere Begierde fremde
Laͤnder zu ſehen, beſonders wie wir ſolche im
Knabenalter empfinden, entſteht uͤberhaupt durch
jene irrige Erwartung außerordentlicher Kontraſte,
durch jene geiſtige Maskeradeluſt, wo wir Men¬
ſchen und Denkweiſe unſerer Heimath in jene
fremde Laͤnder hineindenken, und ſolchermaßen un¬
ſere beſten Bekannten in die fremden Koſtuͤme und
Sitten vermummen. Denken wir z. B. an die
Hottentotten, ſo ſind es die Damen unſerer Va¬
terſtadt, die ſchwarz angeſtrichen und mit gehoͤriger
Hinterfuͤlle in unſerer Vorſtellung umhertanzen,
waͤhrend unſere jungen Schoͤngeiſter als Buſch¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/194>, abgerufen am 25.11.2024.
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