Lachen muß ich immer über die Engländer, die diesen ihren zweiten Dichter (denn nach Shakespear gebührt Byron die Palme) so jämmerlich spießbürgerlich beurtheilen, weil er ihre Pedanterie verspottete, sich ihren Krähwinkelsitten nicht fügen, ihren kalten Glauben nicht theilen wollte, ihre Nüchternheit ihm ekelhaft war, und er sich über ihren Hoch¬ muth und ihre Heucheley beklagte. Viele machen schon ein Kreuz, wenn sie nur von ihm sprechen, und selbst die Frauen, obgleich ihre Wangen von Enthusiasmus glühen, wenn sie ihn lesen, nehmen öffentlich heftig Partey gegen den heimlichen Liebling -- Briefe eines Verstorbenen. Ein fragmentarisches Tagebuch aus England. München 1830.
Lachen muß ich immer uͤber die Englaͤnder, die dieſen ihren zweiten Dichter (denn nach Shakeſpear gebuͤhrt Byron die Palme) ſo jaͤmmerlich ſpießbuͤrgerlich beurtheilen, weil er ihre Pedanterie verſpottete, ſich ihren Kraͤhwinkelſitten nicht fuͤgen, ihren kalten Glauben nicht theilen wollte, ihre Nuͤchternheit ihm ekelhaft war, und er ſich uͤber ihren Hoch¬ muth und ihre Heucheley beklagte. Viele machen ſchon ein Kreuz, wenn ſie nur von ihm ſprechen, und ſelbſt die Frauen, obgleich ihre Wangen von Enthuſiasmus gluͤhen, wenn ſie ihn leſen, nehmen oͤffentlich heftig Partey gegen den heimlichen Liebling — Briefe eines Verſtorbenen. Ein fragmentariſches Tagebuch aus England. Muͤnchen 1830.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0016"n="[2]"/><cit><quote>Lachen muß ich immer uͤber die Englaͤnder, die dieſen<lb/>
ihren zweiten Dichter (denn nach Shakeſpear gebuͤhrt Byron<lb/>
die Palme) ſo jaͤmmerlich ſpießbuͤrgerlich beurtheilen, weil<lb/>
er ihre Pedanterie verſpottete, ſich ihren Kraͤhwinkelſitten<lb/>
nicht fuͤgen, ihren kalten Glauben nicht theilen wollte, ihre<lb/>
Nuͤchternheit ihm ekelhaft war, und er ſich uͤber ihren Hoch¬<lb/>
muth und ihre Heucheley beklagte. Viele machen ſchon ein<lb/>
Kreuz, wenn ſie nur von ihm ſprechen, und ſelbſt die<lb/>
Frauen, obgleich ihre Wangen von Enthuſiasmus gluͤhen,<lb/>
wenn ſie ihn leſen, nehmen oͤffentlich heftig Partey gegen<lb/>
den heimlichen Liebling —<lb/>
Briefe eines Verſtorbenen. Ein fragmentariſches<lb/>
Tagebuch aus England. Muͤnchen 1830.<lb/></quote><bibl/></cit></div></body></text></TEI>
[[2]/0016]
Lachen muß ich immer uͤber die Englaͤnder, die dieſen
ihren zweiten Dichter (denn nach Shakeſpear gebuͤhrt Byron
die Palme) ſo jaͤmmerlich ſpießbuͤrgerlich beurtheilen, weil
er ihre Pedanterie verſpottete, ſich ihren Kraͤhwinkelſitten
nicht fuͤgen, ihren kalten Glauben nicht theilen wollte, ihre
Nuͤchternheit ihm ekelhaft war, und er ſich uͤber ihren Hoch¬
muth und ihre Heucheley beklagte. Viele machen ſchon ein
Kreuz, wenn ſie nur von ihm ſprechen, und ſelbſt die
Frauen, obgleich ihre Wangen von Enthuſiasmus gluͤhen,
wenn ſie ihn leſen, nehmen oͤffentlich heftig Partey gegen
den heimlichen Liebling —
Briefe eines Verſtorbenen. Ein fragmentariſches
Tagebuch aus England. Muͤnchen 1830.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. [2]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/16>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.