Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Dichter, der aus der Fülle des Gemüthes das¬
jenige, was er nie gesehen hat, der Wirklichkeit
so ähnlich schafft. Am meisten ergötzte mich,
daß "Das Trauerspiel in Tyrol" in Tyrol ver¬
boten ist. Ich gedachte der Worte, die mir
mein Freund Moser schrieb, als er mir meldete
daß der zweite Band der Reisebilder verboten
sey: "Die Regierung hätte aber das Buch gar
nicht zu verbieten brauchen, es wäre dennoch
gelesen worden."

Zu Insbruck im goldenen Adler, wo An¬
dreas Hofer logirt hatte, und noch jede Ecke
mit seinen Bildnissen und Erinnerungen an ihn
beklebt ist, fragte ich den Wirth, Herrn Nieder¬
kirchner, ob er mir noch viel von dem Sandwirth
erzählen könne? Da war der alte Mann über¬
fließend von Redseligkeit, und vertraute mir mit
klugen Augenzwinken, daß jetzt die Geschichte
auch ganz gedruckt heraus sey, aber auch ganz

Dichter, der aus der Fuͤlle des Gemuͤthes das¬
jenige, was er nie geſehen hat, der Wirklichkeit
ſo aͤhnlich ſchafft. Am meiſten ergoͤtzte mich,
daß “Das Trauerſpiel in Tyrol„ in Tyrol ver¬
boten iſt. Ich gedachte der Worte, die mir
mein Freund Moſer ſchrieb, als er mir meldete
daß der zweite Band der Reiſebilder verboten
ſey: “Die Regierung haͤtte aber das Buch gar
nicht zu verbieten brauchen, es waͤre dennoch
geleſen worden.„

Zu Insbruck im goldenen Adler, wo An¬
dreas Hofer logirt hatte, und noch jede Ecke
mit ſeinen Bildniſſen und Erinnerungen an ihn
beklebt iſt, fragte ich den Wirth, Herrn Nieder¬
kirchner, ob er mir noch viel von dem Sandwirth
erzaͤhlen koͤnne? Da war der alte Mann uͤber¬
fließend von Redſeligkeit, und vertraute mir mit
klugen Augenzwinken, daß jetzt die Geſchichte
auch ganz gedruckt heraus ſey, aber auch ganz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0054" n="46"/>
Dichter, der aus der Fu&#x0364;lle des Gemu&#x0364;thes das¬<lb/>
jenige, was er nie ge&#x017F;ehen hat, der Wirklichkeit<lb/>
&#x017F;o a&#x0364;hnlich &#x017F;chafft. Am mei&#x017F;ten ergo&#x0364;tzte mich,<lb/>
daß &#x201C;Das Trauer&#x017F;piel in Tyrol&#x201E; in Tyrol ver¬<lb/>
boten i&#x017F;t. Ich gedachte der Worte, die mir<lb/>
mein Freund Mo&#x017F;er &#x017F;chrieb, als er mir meldete<lb/>
daß der zweite Band der Rei&#x017F;ebilder verboten<lb/>
&#x017F;ey: &#x201C;Die Regierung ha&#x0364;tte aber das Buch gar<lb/>
nicht zu verbieten brauchen, es wa&#x0364;re dennoch<lb/>
gele&#x017F;en worden.&#x201E;</p><lb/>
          <p>Zu Insbruck im goldenen Adler, wo An¬<lb/>
dreas Hofer logirt hatte, und noch jede Ecke<lb/>
mit &#x017F;einen Bildni&#x017F;&#x017F;en und Erinnerungen an ihn<lb/>
beklebt i&#x017F;t, fragte ich den Wirth, Herrn Nieder¬<lb/>
kirchner, ob er mir noch viel von dem Sandwirth<lb/>
erza&#x0364;hlen ko&#x0364;nne? Da war der alte Mann u&#x0364;ber¬<lb/>
fließend von Red&#x017F;eligkeit, und vertraute mir mit<lb/>
klugen Augenzwinken, daß jetzt die Ge&#x017F;chichte<lb/>
auch ganz gedruckt heraus &#x017F;ey, aber auch ganz<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0054] Dichter, der aus der Fuͤlle des Gemuͤthes das¬ jenige, was er nie geſehen hat, der Wirklichkeit ſo aͤhnlich ſchafft. Am meiſten ergoͤtzte mich, daß “Das Trauerſpiel in Tyrol„ in Tyrol ver¬ boten iſt. Ich gedachte der Worte, die mir mein Freund Moſer ſchrieb, als er mir meldete daß der zweite Band der Reiſebilder verboten ſey: “Die Regierung haͤtte aber das Buch gar nicht zu verbieten brauchen, es waͤre dennoch geleſen worden.„ Zu Insbruck im goldenen Adler, wo An¬ dreas Hofer logirt hatte, und noch jede Ecke mit ſeinen Bildniſſen und Erinnerungen an ihn beklebt iſt, fragte ich den Wirth, Herrn Nieder¬ kirchner, ob er mir noch viel von dem Sandwirth erzaͤhlen koͤnne? Da war der alte Mann uͤber¬ fließend von Redſeligkeit, und vertraute mir mit klugen Augenzwinken, daß jetzt die Geſchichte auch ganz gedruckt heraus ſey, aber auch ganz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/54
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/54>, abgerufen am 01.09.2024.