besingt. Er ist kein Dichter, sagen die Frauen, die vielleicht -- ich muß es zu seinem Besten andeuten -- hier nicht ganz unpartheyisch sind, und vielleicht wegen der Hingebung, die sie bey ihm entdecken, etwas Eifersucht empfin¬ den, oder gar durch die Tendenz seiner Gedichte ihre bisherige vortheilhafte Stellung in der Ge¬ sellschaft gefährdet glauben. Strenge Kritiker, die mit scharfen Brillen versehen sind, stimmen ein in dieses Urtheil, oder äußern sich noch lako¬ nisch bedenklicher. Was finden Sie in den Ge¬ dichten des Grafen von Platen Hallermünde? frug ich jüngst einen solchen Mann. Sitzfleisch! war die Antwort. Sie meynen in Hinsicht der müh¬ samen, ausgearbeiteten Form? entgegnete ich. Nein, erwiederte jener, Sitzfleisch auch in Betreff des Inhalts.
Was nun den Inhalt der Platenschen Ge¬ dichte betrifft, so möchte ich den armen Grafen dafür zwar nicht loben, aber ihn auch nicht
beſingt. Er iſt kein Dichter, ſagen die Frauen, die vielleicht — ich muß es zu ſeinem Beſten andeuten — hier nicht ganz unpartheyiſch ſind, und vielleicht wegen der Hingebung, die ſie bey ihm entdecken, etwas Eiferſucht empfin¬ den, oder gar durch die Tendenz ſeiner Gedichte ihre bisherige vortheilhafte Stellung in der Ge¬ ſellſchaft gefaͤhrdet glauben. Strenge Kritiker, die mit ſcharfen Brillen verſehen ſind, ſtimmen ein in dieſes Urtheil, oder aͤußern ſich noch lako¬ niſch bedenklicher. Was finden Sie in den Ge¬ dichten des Grafen von Platen Hallermuͤnde? frug ich juͤngſt einen ſolchen Mann. Sitzfleiſch! war die Antwort. Sie meynen in Hinſicht der muͤh¬ ſamen, ausgearbeiteten Form? entgegnete ich. Nein, erwiederte jener, Sitzfleiſch auch in Betreff des Inhalts.
Was nun den Inhalt der Platenſchen Ge¬ dichte betrifft, ſo moͤchte ich den armen Grafen dafuͤr zwar nicht loben, aber ihn auch nicht
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beſingt. Er iſt kein Dichter, ſagen die Frauen,
die vielleicht — ich muß es zu ſeinem Beſten
andeuten — hier nicht ganz unpartheyiſch ſind,
und vielleicht wegen der Hingebung, die ſie
bey ihm entdecken, etwas Eiferſucht empfin¬
den, oder gar durch die Tendenz ſeiner Gedichte
ihre bisherige vortheilhafte Stellung in der Ge¬
ſellſchaft gefaͤhrdet glauben. Strenge Kritiker,
die mit ſcharfen Brillen verſehen ſind, ſtimmen
ein in dieſes Urtheil, oder aͤußern ſich noch lako¬
niſch bedenklicher. Was finden Sie in den Ge¬
dichten des Grafen von Platen Hallermuͤnde? frug
ich juͤngſt einen ſolchen Mann. Sitzfleiſch! war
die Antwort. Sie meynen in Hinſicht der muͤh¬
ſamen, ausgearbeiteten Form? entgegnete ich.
Nein, erwiederte jener, Sitzfleiſch auch in Betreff
des Inhalts.
Was nun den Inhalt der Platenſchen Ge¬
dichte betrifft, ſo moͤchte ich den armen Grafen
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/383>, abgerufen am 22.11.2024.
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