könnt nachmessen, und fehlt daran eine einzige Sylbe, so sollt Ihr mich einen Spitzbuben nen¬ nen, so wahr ich ein ehrlicher Mann bin. Aber eben durch diese ehrliche Miene, kann das Pu¬ blikum betrogen werden. Eben wenn die Füße vor dem Gedichte angegeben sind, denkt man: ich will kein mißtrauischer Mensch seyn, wozu soll ich dem Manne nachzählen, er ist gewiß ein ehr¬ licher Mann und man zählt nicht nach und wird betrogen. Und kann man immer nachrechnen? Wir sind jetzt in Italien und da habe ich Zeit, die Füße mit Kreide auf die Erde zu schreiben und jede Ode zu kollazioniren. Aber in Ham¬ burg, wo ich mein Geschäft habe, fehlt mir die Zeit dazu, und ich müßte dem Grafen Platen un¬ gezählt trauen, wie man traut bey den Geld¬ beuteln von der Courantkasse, worauf geschrieben steht, wie viel Hundert Thaler darin enthalten -- sie gehen versiegelt von Hand zu Hand, jeder traut dem Andern, daß so viel darin enthalten
koͤnnt nachmeſſen, und fehlt daran eine einzige Sylbe, ſo ſollt Ihr mich einen Spitzbuben nen¬ nen, ſo wahr ich ein ehrlicher Mann bin. Aber eben durch dieſe ehrliche Miene, kann das Pu¬ blikum betrogen werden. Eben wenn die Fuͤße vor dem Gedichte angegeben ſind, denkt man: ich will kein mißtrauiſcher Menſch ſeyn, wozu ſoll ich dem Manne nachzaͤhlen, er iſt gewiß ein ehr¬ licher Mann und man zaͤhlt nicht nach und wird betrogen. Und kann man immer nachrechnen? Wir ſind jetzt in Italien und da habe ich Zeit, die Fuͤße mit Kreide auf die Erde zu ſchreiben und jede Ode zu kollazioniren. Aber in Ham¬ burg, wo ich mein Geſchaͤft habe, fehlt mir die Zeit dazu, und ich muͤßte dem Grafen Platen un¬ gezaͤhlt trauen, wie man traut bey den Geld¬ beuteln von der Courantkaſſe, worauf geſchrieben ſteht, wie viel Hundert Thaler darin enthalten — ſie gehen verſiegelt von Hand zu Hand, jeder traut dem Andern, daß ſo viel darin enthalten
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koͤnnt nachmeſſen, und fehlt daran eine einzige
Sylbe, ſo ſollt Ihr mich einen Spitzbuben nen¬
nen, ſo wahr ich ein ehrlicher Mann bin. Aber
eben durch dieſe ehrliche Miene, kann das Pu¬
blikum betrogen werden. Eben wenn die Fuͤße
vor dem Gedichte angegeben ſind, denkt man: ich
will kein mißtrauiſcher Menſch ſeyn, wozu ſoll
ich dem Manne nachzaͤhlen, er iſt gewiß ein ehr¬
licher Mann und man zaͤhlt nicht nach und wird
betrogen. Und kann man immer nachrechnen?
Wir ſind jetzt in Italien und da habe ich Zeit,
die Fuͤße mit Kreide auf die Erde zu ſchreiben
und jede Ode zu kollazioniren. Aber in Ham¬
burg, wo ich mein Geſchaͤft habe, fehlt mir die
Zeit dazu, und ich muͤßte dem Grafen Platen un¬
gezaͤhlt trauen, wie man traut bey den Geld¬
beuteln von der Courantkaſſe, worauf geſchrieben
ſteht, wie viel Hundert Thaler darin enthalten —
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/359>, abgerufen am 25.11.2024.
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