Kinderstimme. Es herrscht eine eigene Schwüle im Zimmer, der Markese Christophoro di Gum¬ pelino sitzt, oder vielmehr liegt wieder, nachläßig vornehm, auf den Kissen des Sophas, der edle schwitzende Leib ist wieder mit dem dünnen, blau¬ seidenen Domino bekleidet, in den Händen hält er ein Buch, das in rothes Saffianpapier mit Goldschnitt gebunden ist, und deklamirt daraus laut und schmachtend. Sein Auge hat da¬ bey einen gewissen klebrigten Lustre, wie er verliebten Katern eigen zu seyn pflegt, und seine Wangen, sogar die beiden Seitenflügel der Nase, sind etwas leidend blaß. Jedoch, lieber Leser, diese Blässe ließe sich wohl philosophisch antropologisch erklären, wenn man bedenkt, daß der Markese den Abend vorher ein ganzes Glas Glaubersalz verschluckt hat.
Hirsch-Hyazinthos aber kauert am Boden des Zimmers, und mit einem großen Stück weißer Kreide zeichnet er auf das braune
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Kinderſtimme. Es herrſcht eine eigene Schwuͤle im Zimmer, der Markeſe Chriſtophoro di Gum¬ pelino ſitzt, oder vielmehr liegt wieder, nachlaͤßig vornehm, auf den Kiſſen des Sophas, der edle ſchwitzende Leib iſt wieder mit dem duͤnnen, blau¬ ſeidenen Domino bekleidet, in den Haͤnden haͤlt er ein Buch, das in rothes Saffianpapier mit Goldſchnitt gebunden iſt, und deklamirt daraus laut und ſchmachtend. Sein Auge hat da¬ bey einen gewiſſen klebrigten Luſtre, wie er verliebten Katern eigen zu ſeyn pflegt, und ſeine Wangen, ſogar die beiden Seitenfluͤgel der Naſe, ſind etwas leidend blaß. Jedoch, lieber Leſer, dieſe Blaͤſſe ließe ſich wohl philoſophiſch antropologiſch erklaͤren, wenn man bedenkt, daß der Markeſe den Abend vorher ein ganzes Glas Glauberſalz verſchluckt hat.
Hirſch-Hyazinthos aber kauert am Boden des Zimmers, und mit einem großen Stuͤck weißer Kreide zeichnet er auf das braune
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Kinderſtimme. Es herrſcht eine eigene Schwuͤle
im Zimmer, der Markeſe Chriſtophoro di Gum¬
pelino ſitzt, oder vielmehr liegt wieder, nachlaͤßig
vornehm, auf den Kiſſen des Sophas, der edle
ſchwitzende Leib iſt wieder mit dem duͤnnen, blau¬
ſeidenen Domino bekleidet, in den Haͤnden haͤlt
er ein Buch, das in rothes Saffianpapier mit
Goldſchnitt gebunden iſt, und deklamirt daraus
laut und ſchmachtend. Sein Auge hat da¬
bey einen gewiſſen klebrigten Luſtre, wie er
verliebten Katern eigen zu ſeyn pflegt, und
ſeine Wangen, ſogar die beiden Seitenfluͤgel der
Naſe, ſind etwas leidend blaß. Jedoch, lieber
Leſer, dieſe Blaͤſſe ließe ſich wohl philoſophiſch
antropologiſch erklaͤren, wenn man bedenkt, daß
der Markeſe den Abend vorher ein ganzes Glas
Glauberſalz verſchluckt hat.
Hirſch-Hyazinthos aber kauert am Boden
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weißer Kreide zeichnet er auf das braune
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/347>, abgerufen am 23.11.2024.
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