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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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komplet. Nur die untersten Fächer, lieber Freund,
fügte ich hinzu, sind erst besetzt, und es wird
Ihnen nicht entgangen seyn, daß wir z. B. an
Eulen, Sykophanten und Phrynen keinen Mangel
haben. Es fehlt uns nur an dem höhern Per¬
sonal, und mancher muß mehrere Rollen zu
gleicher Zeit spielen. Z. B. unser Dichter, der
die zarte griechische Knabenliebe besingt, hat
auch die aristophanische Grobheit übernehmen
müssen; aber er kann alles machen, er hat alles
was zu einem großen Dichter gehört, außer etwa
Phantasie und Witz, und wenn er viel Geld
hätte, wäre er ein reicher Mann. Was uns
aber an Quantität fehlt, das ersetzen wir durch
Qualität. Wir haben nur einen großen Bild¬
hauer, -- aber es ist ein "Löwe!" Wir
haben nur einen großen Redner, aber ich bin
überzeugt, daß Demosthenes über den Malz¬
aufschlag in Attika nicht so gut donnern konnte.
Wenn wir noch keinen Sokrates vergiftet haben,

komplet. Nur die unterſten Faͤcher, lieber Freund,
fuͤgte ich hinzu, ſind erſt beſetzt, und es wird
Ihnen nicht entgangen ſeyn, daß wir z. B. an
Eulen, Sykophanten und Phrynen keinen Mangel
haben. Es fehlt uns nur an dem hoͤhern Per¬
ſonal, und mancher muß mehrere Rollen zu
gleicher Zeit ſpielen. Z. B. unſer Dichter, der
die zarte griechiſche Knabenliebe beſingt, hat
auch die ariſtophaniſche Grobheit uͤbernehmen
muͤſſen; aber er kann alles machen, er hat alles
was zu einem großen Dichter gehoͤrt, außer etwa
Phantaſie und Witz, und wenn er viel Geld
haͤtte, waͤre er ein reicher Mann. Was uns
aber an Quantitaͤt fehlt, das erſetzen wir durch
Qualitaͤt. Wir haben nur einen großen Bild¬
hauer, — aber es iſt ein “Loͤwe!„ Wir
haben nur einen großen Redner, aber ich bin
uͤberzeugt, daß Demoſthenes uͤber den Malz¬
aufſchlag in Attika nicht ſo gut donnern konnte.
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[24/0032] komplet. Nur die unterſten Faͤcher, lieber Freund, fuͤgte ich hinzu, ſind erſt beſetzt, und es wird Ihnen nicht entgangen ſeyn, daß wir z. B. an Eulen, Sykophanten und Phrynen keinen Mangel haben. Es fehlt uns nur an dem hoͤhern Per¬ ſonal, und mancher muß mehrere Rollen zu gleicher Zeit ſpielen. Z. B. unſer Dichter, der die zarte griechiſche Knabenliebe beſingt, hat auch die ariſtophaniſche Grobheit uͤbernehmen muͤſſen; aber er kann alles machen, er hat alles was zu einem großen Dichter gehoͤrt, außer etwa Phantaſie und Witz, und wenn er viel Geld haͤtte, waͤre er ein reicher Mann. Was uns aber an Quantitaͤt fehlt, das erſetzen wir durch Qualitaͤt. Wir haben nur einen großen Bild¬ hauer, — aber es iſt ein “Loͤwe!„ Wir haben nur einen großen Redner, aber ich bin uͤberzeugt, daß Demoſthenes uͤber den Malz¬ aufſchlag in Attika nicht ſo gut donnern konnte. Wenn wir noch keinen Sokrates vergiftet haben,

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/32>, abgerufen am 25.11.2024.