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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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Wie so, mein lieber Herr Hyacinth?

Sehen, Herr Doktor, ich habe gedacht: das
ist freylich eine sehr aufgeklärte Religion, und es
fehlt ihr an Schwärmerey und Wunder; indessen,
ein bischen Schwärmerey muß sie doch haben,
ein ganz klein Wunderchen muß sie doch thun
können, wenn sie sich für eine honette Religion
ausgeben will. Aber wer soll da Wunder thun,
dacht' ich, als ich mal in Hamburg eine protestan¬
tische Kirche besah, die zu der ganz kahlen Sorte
gehörte, wo nichts als braune Bänke und weiße
Wände sind, und an der Wand nichts als ein
schwarz Täfelchen hängt, worauf ein halb Dutzend
weiße Zahlen stehen. Du thust dieser Religion
vielleicht Unrecht, dacht' ich wieder, vielleicht
können diese Zahlen eben so gut ein Wunder
thun wie ein Bild von der Mutter Gottes oder
wie ein Knochen von ihrem Mann, dem heiligen
Joseph, und um der Sache auf den Grund zu
kommen, ging ich gleich nach Altona, und besetzte

Wie ſo, mein lieber Herr Hyacinth?

Sehen, Herr Doktor, ich habe gedacht: das
iſt freylich eine ſehr aufgeklaͤrte Religion, und es
fehlt ihr an Schwaͤrmerey und Wunder; indeſſen,
ein bischen Schwaͤrmerey muß ſie doch haben,
ein ganz klein Wunderchen muß ſie doch thun
koͤnnen, wenn ſie ſich fuͤr eine honette Religion
ausgeben will. Aber wer ſoll da Wunder thun,
dacht' ich, als ich mal in Hamburg eine proteſtan¬
tiſche Kirche beſah, die zu der ganz kahlen Sorte
gehoͤrte, wo nichts als braune Baͤnke und weiße
Waͤnde ſind, und an der Wand nichts als ein
ſchwarz Taͤfelchen haͤngt, worauf ein halb Dutzend
weiße Zahlen ſtehen. Du thuſt dieſer Religion
vielleicht Unrecht, dacht' ich wieder, vielleicht
koͤnnen dieſe Zahlen eben ſo gut ein Wunder
thun wie ein Bild von der Mutter Gottes oder
wie ein Knochen von ihrem Mann, dem heiligen
Joſeph, und um der Sache auf den Grund zu
kommen, ging ich gleich nach Altona, und beſetzte

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[308/0316] Wie ſo, mein lieber Herr Hyacinth? Sehen, Herr Doktor, ich habe gedacht: das iſt freylich eine ſehr aufgeklaͤrte Religion, und es fehlt ihr an Schwaͤrmerey und Wunder; indeſſen, ein bischen Schwaͤrmerey muß ſie doch haben, ein ganz klein Wunderchen muß ſie doch thun koͤnnen, wenn ſie ſich fuͤr eine honette Religion ausgeben will. Aber wer ſoll da Wunder thun, dacht' ich, als ich mal in Hamburg eine proteſtan¬ tiſche Kirche beſah, die zu der ganz kahlen Sorte gehoͤrte, wo nichts als braune Baͤnke und weiße Waͤnde ſind, und an der Wand nichts als ein ſchwarz Taͤfelchen haͤngt, worauf ein halb Dutzend weiße Zahlen ſtehen. Du thuſt dieſer Religion vielleicht Unrecht, dacht' ich wieder, vielleicht koͤnnen dieſe Zahlen eben ſo gut ein Wunder thun wie ein Bild von der Mutter Gottes oder wie ein Knochen von ihrem Mann, dem heiligen Joſeph, und um der Sache auf den Grund zu kommen, ging ich gleich nach Altona, und beſetzte

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/316>, abgerufen am 24.11.2024.