Signor Bartolo! rief ich, erlauben Sie mir, daß auch ich mich des Spucknapfes bediene.
Wehmüthig lächelte Signor Bartolo, sprach aber kein einziges Wort, obgleich er, nächst Mezzophante, für den besten Sprachlehrer in Bo¬ logna gilt. Wir sprechen nicht gern, wenn Sprechen unsre Profession ist. Er diente der Signora als ein stummer Ritter, und nur dann und wann mußte er das Gedicht rezitiren, das er ihr vor fünf und zwanzig Jahren aufs Theater geworfen, als sie zuerst in Bologna, in der Rolle der Ariadne, auftrat. Er selbst mag zu jener Zeit wohlbe¬ laubt und glühend gewesen seyn, vielleicht ähnlich dem heiligen Dionysos selbst, und seine Laetizia¬ Ariadne stürzte ihm gewiß bachantisch in die blühenden Arme -- Evoe Bacche! Er dichtete damals noch viele Liebesgedichte, die, wie schon erwähnt, sich in der italienischen Litteratur erhal¬ ten haben, nachdem der Dichter und die Geliebte selbst schon längst zu Makulatur geworden.
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Signor Bartolo! rief ich, erlauben Sie mir, daß auch ich mich des Spucknapfes bediene.
Wehmuͤthig laͤchelte Signor Bartolo, ſprach aber kein einziges Wort, obgleich er, naͤchſt Mezzophante, fuͤr den beſten Sprachlehrer in Bo¬ logna gilt. Wir ſprechen nicht gern, wenn Sprechen unſre Profeſſion iſt. Er diente der Signora als ein ſtummer Ritter, und nur dann und wann mußte er das Gedicht rezitiren, das er ihr vor fuͤnf und zwanzig Jahren aufs Theater geworfen, als ſie zuerſt in Bologna, in der Rolle der Ariadne, auftrat. Er ſelbſt mag zu jener Zeit wohlbe¬ laubt und gluͤhend geweſen ſeyn, vielleicht aͤhnlich dem heiligen Dionyſos ſelbſt, und ſeine Laetizia¬ Ariadne ſtuͤrzte ihm gewiß bachantiſch in die bluͤhenden Arme — Evoe Bacche! Er dichtete damals noch viele Liebesgedichte, die, wie ſchon erwaͤhnt, ſich in der italieniſchen Litteratur erhal¬ ten haben, nachdem der Dichter und die Geliebte ſelbſt ſchon laͤngſt zu Makulatur geworden.
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Signor Bartolo! rief ich, erlauben Sie mir,
daß auch ich mich des Spucknapfes bediene.
Wehmuͤthig laͤchelte Signor Bartolo, ſprach
aber kein einziges Wort, obgleich er, naͤchſt
Mezzophante, fuͤr den beſten Sprachlehrer in Bo¬
logna gilt. Wir ſprechen nicht gern, wenn Sprechen
unſre Profeſſion iſt. Er diente der Signora als ein
ſtummer Ritter, und nur dann und wann mußte
er das Gedicht rezitiren, das er ihr vor fuͤnf und
zwanzig Jahren aufs Theater geworfen, als ſie
zuerſt in Bologna, in der Rolle der Ariadne,
auftrat. Er ſelbſt mag zu jener Zeit wohlbe¬
laubt und gluͤhend geweſen ſeyn, vielleicht aͤhnlich
dem heiligen Dionyſos ſelbſt, und ſeine Laetizia¬
Ariadne ſtuͤrzte ihm gewiß bachantiſch in die
bluͤhenden Arme — Evoe Bacche! Er dichtete
damals noch viele Liebesgedichte, die, wie ſchon
erwaͤhnt, ſich in der italieniſchen Litteratur erhal¬
ten haben, nachdem der Dichter und die Geliebte
ſelbſt ſchon laͤngſt zu Makulatur geworden.
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/267>, abgerufen am 25.11.2024.
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