byronische Zerrissenheit so sehr geklagt, und bey den erlogenen Grünlichkeiten, den zarten Natur¬ gefühlen, die mir da, wie frisches Heu, ent¬ gegendufteten, wäre mein armes Herz, das schon hinlänglich zerrissen ist, fast auch vor Lachen ge¬ borsten, und unwillkürlich rief ich: Mein lieber Herr Intendanturrath Wilhelm Neumann, was gehn Ihnen die jrine Beeme an?
Sie sind ein zerrissener Mensch, so zu sagen ein Byron -- wiederholte der Markese, sah noch immer verklärt hinab ins Thal, schnaltzte zuweilen mit der Zunge am Gaumen vor andächtiger Be¬ wunderung -- Gott! Gott! Alles wie gemalt!
Armer Byron! solches ruhige Genießen war Dir versagt! War dein Herz so verdorben, daß du die Natur nur sehen, ja sogar schildern, aber nicht von ihr beseligt werden konntest? Oder hat Bishy Shelley Recht, wenn er sagt: du habest die Natur in ihrer keuschen Nacktheit be¬
byroniſche Zerriſſenheit ſo ſehr geklagt, und bey den erlogenen Gruͤnlichkeiten, den zarten Natur¬ gefuͤhlen, die mir da, wie friſches Heu, ent¬ gegendufteten, waͤre mein armes Herz, das ſchon hinlaͤnglich zerriſſen iſt, faſt auch vor Lachen ge¬ borſten, und unwillkuͤrlich rief ich: Mein lieber Herr Intendanturrath Wilhelm Neumann, was gehn Ihnen die jrine Beeme an?
Sie ſind ein zerriſſener Menſch, ſo zu ſagen ein Byron — wiederholte der Markeſe, ſah noch immer verklaͤrt hinab ins Thal, ſchnaltzte zuweilen mit der Zunge am Gaumen vor andaͤchtiger Be¬ wunderung — Gott! Gott! Alles wie gemalt!
Armer Byron! ſolches ruhige Genießen war Dir verſagt! War dein Herz ſo verdorben, daß du die Natur nur ſehen, ja ſogar ſchildern, aber nicht von ihr beſeligt werden konnteſt? Oder hat Biſhy Shelley Recht, wenn er ſagt: du habeſt die Natur in ihrer keuſchen Nacktheit be¬
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byroniſche Zerriſſenheit ſo ſehr geklagt, und bey
den erlogenen Gruͤnlichkeiten, den zarten Natur¬
gefuͤhlen, die mir da, wie friſches Heu, ent¬
gegendufteten, waͤre mein armes Herz, das ſchon
hinlaͤnglich zerriſſen iſt, faſt auch vor Lachen ge¬
borſten, und unwillkuͤrlich rief ich: Mein lieber
Herr Intendanturrath Wilhelm Neumann, was
gehn Ihnen die jrine Beeme an?
Sie ſind ein zerriſſener Menſch, ſo zu ſagen
ein Byron — wiederholte der Markeſe, ſah noch
immer verklaͤrt hinab ins Thal, ſchnaltzte zuweilen
mit der Zunge am Gaumen vor andaͤchtiger Be¬
wunderung — Gott! Gott! Alles wie gemalt!
Armer Byron! ſolches ruhige Genießen war
Dir verſagt! War dein Herz ſo verdorben, daß
du die Natur nur ſehen, ja ſogar ſchildern, aber
nicht von ihr beſeligt werden konnteſt? Oder
hat Biſhy Shelley Recht, wenn er ſagt: du
habeſt die Natur in ihrer keuſchen Nacktheit be¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/259>, abgerufen am 22.11.2024.
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