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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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Sie mich morden? Fort, fort mit dem schrecklichen
Anblick! Dabey gebehrdete sie sich, als wolle
man sie umbringen, hielt sich die Hände vor die
Augen, rannte unsinnig im Zimmer umher,
verwünschte Gumpelinos Nase und Tulpe, klin¬
gelte, stampfte den Boden, schlug den Hund mit
der Reitgerte, daß er laut aufbellte, und als
John hereintrat, rief sie, wie Kean als König
Richard:

Ein Pferd! ein Pferd!
Ein Königthum für ein Pferd!
und stürmte, wie ein Wirbelwind, von dannen.

Eine kuriose Frau! sprach Gumpelino, vor
Erstaunen bewegungslos und noch immer die
Tulpe in der Hand haltend, so daß er einem jener
Götzenbilder glich, die mit Lotosblumen in den
Händen, auf altindischen Denkmälern zu schauen
sind. Ich aber kannte die Dame und ihre Idio¬
synkrasie weit besser, mich ergötzte dieses Schau¬

Sie mich morden? Fort, fort mit dem ſchrecklichen
Anblick! Dabey gebehrdete ſie ſich, als wolle
man ſie umbringen, hielt ſich die Haͤnde vor die
Augen, rannte unſinnig im Zimmer umher,
verwuͤnſchte Gumpelinos Naſe und Tulpe, klin¬
gelte, ſtampfte den Boden, ſchlug den Hund mit
der Reitgerte, daß er laut aufbellte, und als
John hereintrat, rief ſie, wie Kean als Koͤnig
Richard:

Ein Pferd! ein Pferd!
Ein Koͤnigthum fuͤr ein Pferd!
und ſtuͤrmte, wie ein Wirbelwind, von dannen.

Eine kurioſe Frau! ſprach Gumpelino, vor
Erſtaunen bewegungslos und noch immer die
Tulpe in der Hand haltend, ſo daß er einem jener
Goͤtzenbilder glich, die mit Lotosblumen in den
Haͤnden, auf altindiſchen Denkmaͤlern zu ſchauen
ſind. Ich aber kannte die Dame und ihre Idio¬
ſynkraſie weit beſſer, mich ergoͤtzte dieſes Schau¬

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[232/0240] Sie mich morden? Fort, fort mit dem ſchrecklichen Anblick! Dabey gebehrdete ſie ſich, als wolle man ſie umbringen, hielt ſich die Haͤnde vor die Augen, rannte unſinnig im Zimmer umher, verwuͤnſchte Gumpelinos Naſe und Tulpe, klin¬ gelte, ſtampfte den Boden, ſchlug den Hund mit der Reitgerte, daß er laut aufbellte, und als John hereintrat, rief ſie, wie Kean als Koͤnig Richard: Ein Pferd! ein Pferd! Ein Koͤnigthum fuͤr ein Pferd! und ſtuͤrmte, wie ein Wirbelwind, von dannen. Eine kurioſe Frau! ſprach Gumpelino, vor Erſtaunen bewegungslos und noch immer die Tulpe in der Hand haltend, ſo daß er einem jener Goͤtzenbilder glich, die mit Lotosblumen in den Haͤnden, auf altindiſchen Denkmaͤlern zu ſchauen ſind. Ich aber kannte die Dame und ihre Idio¬ ſynkraſie weit beſſer, mich ergoͤtzte dieſes Schau¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/240>, abgerufen am 24.11.2024.