Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

nur getragen von dieser Idee, und sie macht die
Kleinheit der Kleinen noch bemerkbarer. Die
Römer sind deßhalb zugleich die größten Helden und
die größten Satyriker gewesen, Helden wenn sie
handelten, während sie an Rom dachten, Satyriker
wenn sie an Rom dachten, während sie die
Handlungen ihrer Genossen beurtheilten. Ge¬
messen mit solchem ungeheuren Maßstab, der
Idee Rom, mußte selbst die größte Persönlichkeit
zwerghaft erscheinen und somit der Spottsucht
anheim fallen. Tacitus ist der grausamste Mei¬
ster in dieser Satyre, eben weil er die Größe
Roms und die Kleinheit der Menschen am tief¬
sten fühlte. Recht in seinem Elemente ist er
jedesmal wenn er berichten kann, was die mali¬
ziösen Zungen auf dem Forum über irgend eine
imperiale Schandthat raisonnirten; recht ingrimmig
glücklich ist er, wenn er irgend eine senatorische
Blamage, etwa eine verfehlte Schmeicheley, zu
erzählen hat.

10 *

nur getragen von dieſer Idee, und ſie macht die
Kleinheit der Kleinen noch bemerkbarer. Die
Roͤmer ſind deßhalb zugleich die groͤßten Helden und
die groͤßten Satyriker geweſen, Helden wenn ſie
handelten, waͤhrend ſie an Rom dachten, Satyriker
wenn ſie an Rom dachten, waͤhrend ſie die
Handlungen ihrer Genoſſen beurtheilten. Ge¬
meſſen mit ſolchem ungeheuren Maßſtab, der
Idee Rom, mußte ſelbſt die groͤßte Perſoͤnlichkeit
zwerghaft erſcheinen und ſomit der Spottſucht
anheim fallen. Tacitus iſt der grauſamſte Mei¬
ſter in dieſer Satyre, eben weil er die Groͤße
Roms und die Kleinheit der Menſchen am tief¬
ſten fuͤhlte. Recht in ſeinem Elemente iſt er
jedesmal wenn er berichten kann, was die mali¬
zioͤſen Zungen auf dem Forum uͤber irgend eine
imperiale Schandthat raiſonnirten; recht ingrimmig
gluͤcklich iſt er, wenn er irgend eine ſenatoriſche
Blamage, etwa eine verfehlte Schmeicheley, zu
erzaͤhlen hat.

10 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0155" n="147"/>
nur getragen von die&#x017F;er Idee, und &#x017F;ie macht die<lb/>
Kleinheit der Kleinen noch bemerkbarer. Die<lb/>
Ro&#x0364;mer &#x017F;ind deßhalb zugleich die gro&#x0364;ßten Helden und<lb/>
die gro&#x0364;ßten Satyriker gewe&#x017F;en, Helden wenn &#x017F;ie<lb/>
handelten, wa&#x0364;hrend &#x017F;ie an Rom dachten, Satyriker<lb/>
wenn &#x017F;ie an Rom dachten, wa&#x0364;hrend &#x017F;ie die<lb/>
Handlungen ihrer Geno&#x017F;&#x017F;en beurtheilten. Ge¬<lb/>
me&#x017F;&#x017F;en mit &#x017F;olchem ungeheuren Maß&#x017F;tab, der<lb/>
Idee Rom, mußte &#x017F;elb&#x017F;t die gro&#x0364;ßte Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit<lb/>
zwerghaft er&#x017F;cheinen und &#x017F;omit der Spott&#x017F;ucht<lb/>
anheim fallen. Tacitus i&#x017F;t der grau&#x017F;am&#x017F;te Mei¬<lb/>
&#x017F;ter in die&#x017F;er Satyre, eben weil er die Gro&#x0364;ße<lb/>
Roms und die Kleinheit der Men&#x017F;chen am tief¬<lb/>
&#x017F;ten fu&#x0364;hlte. Recht in &#x017F;einem Elemente i&#x017F;t er<lb/>
jedesmal wenn er berichten kann, was die mali¬<lb/>
zio&#x0364;&#x017F;en Zungen auf dem Forum u&#x0364;ber irgend eine<lb/>
imperiale Schandthat rai&#x017F;onnirten; recht ingrimmig<lb/>
glu&#x0364;cklich i&#x017F;t er, wenn er irgend eine &#x017F;enatori&#x017F;che<lb/>
Blamage, etwa eine verfehlte Schmeicheley, zu<lb/>
erza&#x0364;hlen hat.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">10 *<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0155] nur getragen von dieſer Idee, und ſie macht die Kleinheit der Kleinen noch bemerkbarer. Die Roͤmer ſind deßhalb zugleich die groͤßten Helden und die groͤßten Satyriker geweſen, Helden wenn ſie handelten, waͤhrend ſie an Rom dachten, Satyriker wenn ſie an Rom dachten, waͤhrend ſie die Handlungen ihrer Genoſſen beurtheilten. Ge¬ meſſen mit ſolchem ungeheuren Maßſtab, der Idee Rom, mußte ſelbſt die groͤßte Perſoͤnlichkeit zwerghaft erſcheinen und ſomit der Spottſucht anheim fallen. Tacitus iſt der grauſamſte Mei¬ ſter in dieſer Satyre, eben weil er die Groͤße Roms und die Kleinheit der Menſchen am tief¬ ſten fuͤhlte. Recht in ſeinem Elemente iſt er jedesmal wenn er berichten kann, was die mali¬ zioͤſen Zungen auf dem Forum uͤber irgend eine imperiale Schandthat raiſonnirten; recht ingrimmig gluͤcklich iſt er, wenn er irgend eine ſenatoriſche Blamage, etwa eine verfehlte Schmeicheley, zu erzaͤhlen hat. 10 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/155
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/155>, abgerufen am 25.11.2024.