zimmer, ein kümmerlich verblichenes Wesen, das, nach langem Knieen und Beten, seufzend auf¬ stand, aus kranken, stillen Augen mich befremdet ansah, und endlich, wie mit gebrochenen Gliedern, fortschwankte.
Auch die Grabmäler der Scaliger sind unfern der Piazza delle Erbe. Sie sind so wundersam prächtig wie dieses stolze Geschlecht selbst, und es ist Schade, daß sie in einem engen Winkel stehen, wo sie sich gleichsam zusammendrängen müssen, um so wenig Raum als möglich einzu¬ nehmen, und wo auch dem Beschauer nicht viel Platz bleibt, um sie ordentlich zu betrachten. Es ist, als sähen wir hier die geschichtliche Erscheinung dieses Geschlechtes vergleichnißt; diese füllt eben¬ falls nur einen kleinen Winkel in der allgemeinen italienischen Geschichte, aber dieser Winkel ist gedrängt voll von Thatenglanz, Gesinnungspracht und Uebermuthsherrlichkeit. Wie in der Geschichte,
zimmer, ein kuͤmmerlich verblichenes Weſen, das, nach langem Knieen und Beten, ſeufzend auf¬ ſtand, aus kranken, ſtillen Augen mich befremdet anſah, und endlich, wie mit gebrochenen Gliedern, fortſchwankte.
Auch die Grabmaͤler der Scaliger ſind unfern der Piazza delle Erbe. Sie ſind ſo wunderſam praͤchtig wie dieſes ſtolze Geſchlecht ſelbſt, und es iſt Schade, daß ſie in einem engen Winkel ſtehen, wo ſie ſich gleichſam zuſammendraͤngen muͤſſen, um ſo wenig Raum als moͤglich einzu¬ nehmen, und wo auch dem Beſchauer nicht viel Platz bleibt, um ſie ordentlich zu betrachten. Es iſt, als ſaͤhen wir hier die geſchichtliche Erſcheinung dieſes Geſchlechtes vergleichnißt; dieſe fuͤllt eben¬ falls nur einen kleinen Winkel in der allgemeinen italieniſchen Geſchichte, aber dieſer Winkel iſt gedraͤngt voll von Thatenglanz, Geſinnungspracht und Uebermuthsherrlichkeit. Wie in der Geſchichte,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0149"n="141"/>
zimmer, ein kuͤmmerlich verblichenes Weſen, das,<lb/>
nach langem Knieen und Beten, ſeufzend auf¬<lb/>ſtand, aus kranken, ſtillen Augen mich befremdet<lb/>
anſah, und endlich, wie mit gebrochenen Gliedern,<lb/>
fortſchwankte.</p><lb/><p>Auch die Grabmaͤler der Scaliger ſind unfern<lb/>
der Piazza delle Erbe. Sie ſind ſo wunderſam<lb/>
praͤchtig wie dieſes ſtolze Geſchlecht ſelbſt, und<lb/>
es iſt Schade, daß ſie in einem engen Winkel<lb/>ſtehen, wo ſie ſich gleichſam zuſammendraͤngen<lb/>
muͤſſen, um ſo wenig Raum als moͤglich einzu¬<lb/>
nehmen, und wo auch dem Beſchauer nicht viel<lb/>
Platz bleibt, um ſie ordentlich zu betrachten. Es<lb/>
iſt, als ſaͤhen wir hier die geſchichtliche Erſcheinung<lb/>
dieſes Geſchlechtes vergleichnißt; dieſe fuͤllt eben¬<lb/>
falls nur einen kleinen Winkel in der allgemeinen<lb/>
italieniſchen Geſchichte, aber dieſer Winkel iſt<lb/>
gedraͤngt voll von Thatenglanz, Geſinnungspracht<lb/>
und Uebermuthsherrlichkeit. Wie in der Geſchichte,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[141/0149]
zimmer, ein kuͤmmerlich verblichenes Weſen, das,
nach langem Knieen und Beten, ſeufzend auf¬
ſtand, aus kranken, ſtillen Augen mich befremdet
anſah, und endlich, wie mit gebrochenen Gliedern,
fortſchwankte.
Auch die Grabmaͤler der Scaliger ſind unfern
der Piazza delle Erbe. Sie ſind ſo wunderſam
praͤchtig wie dieſes ſtolze Geſchlecht ſelbſt, und
es iſt Schade, daß ſie in einem engen Winkel
ſtehen, wo ſie ſich gleichſam zuſammendraͤngen
muͤſſen, um ſo wenig Raum als moͤglich einzu¬
nehmen, und wo auch dem Beſchauer nicht viel
Platz bleibt, um ſie ordentlich zu betrachten. Es
iſt, als ſaͤhen wir hier die geſchichtliche Erſcheinung
dieſes Geſchlechtes vergleichnißt; dieſe fuͤllt eben¬
falls nur einen kleinen Winkel in der allgemeinen
italieniſchen Geſchichte, aber dieſer Winkel iſt
gedraͤngt voll von Thatenglanz, Geſinnungspracht
und Uebermuthsherrlichkeit. Wie in der Geſchichte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/149>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.