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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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wunderliches Zeug, allerley Worte, woran liebe
Erinnerungen flattern, allerley Namen, die, wie
süße Ahnung, in der Seele wiederklingen --
"Eveline!" Dann kommen auch Schiffe vorbey¬
gefahren, und man grüßt, als ob man sich alle
Tage wiedersehen könnte. Nur des Nachts hat
das Begegnen fremder Schiffe auf dem Meere
etwas Unheimliches; man will sich dann einbil¬
den, die besten Freunde, die wir seit Jahren
nicht gesehen, führen schweigend vorbey, und
man verlöre sie auf immer.

Ich liebe das Meer wie meine Seele.

Oft wird mir sogar zu Muthe, als sey das
Meer eigentlich meine Seele selbst; und wie es
im Meere verborgene Wasserpflanzen giebt, die
nur im Augenblick des Aufblühens an dessen
Oberfläche heraufschwimmen, und im Augenblick
des Verblühens wieder hinabtauchen: so kommen
zuweilen auch wunderbare Blumenbilder herauf¬
geschwommen aus der Tiefe meiner Seele, und

wunderliches Zeug, allerley Worte, woran liebe
Erinnerungen flattern, allerley Namen, die, wie
ſuͤße Ahnung, in der Seele wiederklingen —
„Eveline!“ Dann kommen auch Schiffe vorbey¬
gefahren, und man gruͤßt, als ob man ſich alle
Tage wiederſehen koͤnnte. Nur des Nachts hat
das Begegnen fremder Schiffe auf dem Meere
etwas Unheimliches; man will ſich dann einbil¬
den, die beſten Freunde, die wir ſeit Jahren
nicht geſehen, fuͤhren ſchweigend vorbey, und
man verloͤre ſie auf immer.

Ich liebe das Meer wie meine Seele.

Oft wird mir ſogar zu Muthe, als ſey das
Meer eigentlich meine Seele ſelbſt; und wie es
im Meere verborgene Waſſerpflanzen giebt, die
nur im Augenblick des Aufbluͤhens an deſſen
Oberflaͤche heraufſchwimmen, und im Augenblick
des Verbluͤhens wieder hinabtauchen: ſo kommen
zuweilen auch wunderbare Blumenbilder herauf¬
geſchwommen aus der Tiefe meiner Seele, und

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[70/0078] wunderliches Zeug, allerley Worte, woran liebe Erinnerungen flattern, allerley Namen, die, wie ſuͤße Ahnung, in der Seele wiederklingen — „Eveline!“ Dann kommen auch Schiffe vorbey¬ gefahren, und man gruͤßt, als ob man ſich alle Tage wiederſehen koͤnnte. Nur des Nachts hat das Begegnen fremder Schiffe auf dem Meere etwas Unheimliches; man will ſich dann einbil¬ den, die beſten Freunde, die wir ſeit Jahren nicht geſehen, fuͤhren ſchweigend vorbey, und man verloͤre ſie auf immer. Ich liebe das Meer wie meine Seele. Oft wird mir ſogar zu Muthe, als ſey das Meer eigentlich meine Seele ſelbſt; und wie es im Meere verborgene Waſſerpflanzen giebt, die nur im Augenblick des Aufbluͤhens an deſſen Oberflaͤche heraufſchwimmen, und im Augenblick des Verbluͤhens wieder hinabtauchen: ſo kommen zuweilen auch wunderbare Blumenbilder herauf¬ geſchwommen aus der Tiefe meiner Seele, und

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/78>, abgerufen am 30.04.2024.