schwer und Sand ist Last, aber der Narren Zorn ist schwerer denn die beyde." Und sie hassen mich nicht mit Unrecht. Es ist vollkom¬ men wahr, ich habe die heiligsten Bande zer¬ rissen, von Gott- und Rechtswegen hätte ich unter den Narren leben und sterben müssen. Und ach! ich hatte es unter diesen Leuten so gut gehabt! Sie würden mich, wenn ich um¬ kehren wollte, noch immer mit offnen Armen empfangen. Sie würden mir an den Augen absehen, was sie mir nur irgend Liebes erwei¬ sen könnten. Sie würden mich alle Tage zu Tische laden und des Abends mitnehmen in ihre Theegesellschaften und Clubs, und ich könnte mit ihnen Whist spielen, Tabak rauchen, politisiren, und wenn ich dabey gähnte, hieße es hinter mei¬ nem Rücken: "welch schönes Gemüth! eine Seele voll Glauben!" -- erlauben Sie mir, Madame, daß ich eine Thräne der Rührung weihe -- ach! und ich würde Punsch mit ihnen trinken, bis die rechte Inspiration käme, und
ſchwer und Sand iſt Laſt, aber der Narren Zorn iſt ſchwerer denn die beyde.“ Und ſie haſſen mich nicht mit Unrecht. Es iſt vollkom¬ men wahr, ich habe die heiligſten Bande zer¬ riſſen, von Gott- und Rechtswegen haͤtte ich unter den Narren leben und ſterben muͤſſen. Und ach! ich hatte es unter dieſen Leuten ſo gut gehabt! Sie wuͤrden mich, wenn ich um¬ kehren wollte, noch immer mit offnen Armen empfangen. Sie wuͤrden mir an den Augen abſehen, was ſie mir nur irgend Liebes erwei¬ ſen koͤnnten. Sie wuͤrden mich alle Tage zu Tiſche laden und des Abends mitnehmen in ihre Theegeſellſchaften und Clubs, und ich koͤnnte mit ihnen Whiſt ſpielen, Tabak rauchen, politiſiren, und wenn ich dabey gaͤhnte, hieße es hinter mei¬ nem Ruͤcken: „welch ſchoͤnes Gemuͤth! eine Seele voll Glauben!“ — erlauben Sie mir, Madame, daß ich eine Thraͤne der Ruͤhrung weihe — ach! und ich wuͤrde Punſch mit ihnen trinken, bis die rechte Inſpiration kaͤme, und
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ſchwer und Sand iſt Laſt, aber der Narren
Zorn iſt ſchwerer denn die beyde.“ Und ſie
haſſen mich nicht mit Unrecht. Es iſt vollkom¬
men wahr, ich habe die heiligſten Bande zer¬
riſſen, von Gott- und Rechtswegen haͤtte ich
unter den Narren leben und ſterben muͤſſen.
Und ach! ich hatte es unter dieſen Leuten ſo
gut gehabt! Sie wuͤrden mich, wenn ich um¬
kehren wollte, noch immer mit offnen Armen
empfangen. Sie wuͤrden mir an den Augen
abſehen, was ſie mir nur irgend Liebes erwei¬
ſen koͤnnten. Sie wuͤrden mich alle Tage zu
Tiſche laden und des Abends mitnehmen in ihre
Theegeſellſchaften und Clubs, und ich koͤnnte mit
ihnen Whiſt ſpielen, Tabak rauchen, politiſiren,
und wenn ich dabey gaͤhnte, hieße es hinter mei¬
nem Ruͤcken: „welch ſchoͤnes Gemuͤth! eine
Seele voll Glauben!“ — erlauben Sie mir,
Madame, daß ich eine Thraͤne der Ruͤhrung
weihe — ach! und ich wuͤrde Punſch mit ihnen
trinken, bis die rechte Inſpiration kaͤme, und
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/276>, abgerufen am 22.11.2024.
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