zwar keiner von den Vernünftigen, aber ich habe mich zu dieser Parthey geschlagen, und seit 5588 Jahren führen wir Krieg mit den Narren. Die Narren glauben sich von uns beeinträchtigt, indem sie behaupten: es gäbe in der Welt nur eine bestimmte Dosis Vernunft, diese ganze Dosis hätten nun die Vernünftigen, Gott weiß wie! usurpirt, und es sey himmelschreyend, wie oft ein einziger Mensch so viel Vernunft an sich gerissen habe, daß seine Mitbürger und das ganze Land rund um ihn her ganz ob¬ scur geworden. Dies ist die geheime Ur¬ sache des Krieges, und es ist ein wahrer Ver¬ tilgungskrieg. Die Vernünftigen zeigen sich, wie gewöhnlich, als die ruhigsten, mäßigsten und vernünftigsten, sie sitzen festverschanzt in ihren altaristotelischen Werken, haben viel Ge¬ schütz, haben auch Munition genug, denn sie haben ja selbst das Pulver erfunden, und dann und wann werfen sie wohlbewiesene Bomben unter ihre Feinde. Aber leider sind diese
zwar keiner von den Vernuͤnftigen, aber ich habe mich zu dieſer Parthey geſchlagen, und ſeit 5588 Jahren fuͤhren wir Krieg mit den Narren. Die Narren glauben ſich von uns beeintraͤchtigt, indem ſie behaupten: es gaͤbe in der Welt nur eine beſtimmte Doſis Vernunft, dieſe ganze Doſis haͤtten nun die Vernuͤnftigen, Gott weiß wie! uſurpirt, und es ſey himmelſchreyend, wie oft ein einziger Menſch ſo viel Vernunft an ſich geriſſen habe, daß ſeine Mitbuͤrger und das ganze Land rund um ihn her ganz ob¬ ſcur geworden. Dies iſt die geheime Ur¬ ſache des Krieges, und es iſt ein wahrer Ver¬ tilgungskrieg. Die Vernuͤnftigen zeigen ſich, wie gewoͤhnlich, als die ruhigſten, maͤßigſten und vernuͤnftigſten, ſie ſitzen feſtverſchanzt in ihren altariſtoteliſchen Werken, haben viel Ge¬ ſchuͤtz, haben auch Munition genug, denn ſie haben ja ſelbſt das Pulver erfunden, und dann und wann werfen ſie wohlbewieſene Bomben unter ihre Feinde. Aber leider ſind dieſe
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zwar keiner von den Vernuͤnftigen, aber ich
habe mich zu dieſer Parthey geſchlagen, und ſeit
5588 Jahren fuͤhren wir Krieg mit den Narren.
Die Narren glauben ſich von uns beeintraͤchtigt,
indem ſie behaupten: es gaͤbe in der Welt nur
eine beſtimmte Doſis Vernunft, dieſe ganze
Doſis haͤtten nun die Vernuͤnftigen, Gott
weiß wie! uſurpirt, und es ſey himmelſchreyend,
wie oft ein einziger Menſch ſo viel Vernunft
an ſich geriſſen habe, daß ſeine Mitbuͤrger und
das ganze Land rund um ihn her ganz ob¬
ſcur geworden. Dies iſt die geheime Ur¬
ſache des Krieges, und es iſt ein wahrer Ver¬
tilgungskrieg. Die Vernuͤnftigen zeigen ſich,
wie gewoͤhnlich, als die ruhigſten, maͤßigſten
und vernuͤnftigſten, ſie ſitzen feſtverſchanzt in
ihren altariſtoteliſchen Werken, haben viel Ge¬
ſchuͤtz, haben auch Munition genug, denn ſie
haben ja ſelbſt das Pulver erfunden, und dann
und wann werfen ſie wohlbewieſene Bomben
unter ihre Feinde. Aber leider ſind dieſe
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/272>, abgerufen am 23.11.2024.
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