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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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Stange reiten soll oder auf der Trense, ob ich
ihr einen englischen oder einen polnischen Sat¬
tel geben soll -- u. s. w. -- Leute, die mich
alsdann stehen sehen, begreifen nicht, was mich
bey der Frau so sehr anzieht. Zwischentragende
Zungen wollten schon ihren Herrn Gemahl in
Unruhe setzen und gaben Winke, als ob ich
seine Ehehälfte mit den Augen eines Roue be¬
trachte. Aber meine ehrliche, weichlederne chaise
percee
soll geantwortet haben: er halte mich
für einen unschuldigen, sogar etwas schüchter¬
nen, jungen Menschen, der ihn mit einer ge¬
wissen Genauigkeit ansähe, wie einer, der
das Bedürfniß fühlt, sich näher anzuschließen,
und doch von einer erröthenden Blödigkeit
zurückgehalten wird. Mein edles Roß meinte
hingegen: ich hätte ein freyes, unbefange¬
nes, chevaleresques Wesen, und meine zu¬
vorgrüßende Höflichkeit bedeute bloß den
Wunsch, einmahl von ihnen zu einem Mit¬
tagsessen eingeladen zu werden. --

Stange reiten ſoll oder auf der Trenſe, ob ich
ihr einen engliſchen oder einen polniſchen Sat¬
tel geben ſoll — u. ſ. w. — Leute, die mich
alsdann ſtehen ſehen, begreifen nicht, was mich
bey der Frau ſo ſehr anzieht. Zwiſchentragende
Zungen wollten ſchon ihren Herrn Gemahl in
Unruhe ſetzen und gaben Winke, als ob ich
ſeine Ehehaͤlfte mit den Augen eines Roué be¬
trachte. Aber meine ehrliche, weichlederne chaise
percée
ſoll geantwortet haben: er halte mich
fuͤr einen unſchuldigen, ſogar etwas ſchuͤchter¬
nen, jungen Menſchen, der ihn mit einer ge¬
wiſſen Genauigkeit anſaͤhe, wie einer, der
das Beduͤrfniß fuͤhlt, ſich naͤher anzuſchließen,
und doch von einer erroͤthenden Bloͤdigkeit
zuruͤckgehalten wird. Mein edles Roß meinte
hingegen: ich haͤtte ein freyes, unbefange¬
nes, chevaleresques Weſen, und meine zu¬
vorgruͤßende Hoͤflichkeit bedeute bloß den
Wunſch, einmahl von ihnen zu einem Mit¬
tagseſſen eingeladen zu werden. —

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[254/0262] Stange reiten ſoll oder auf der Trenſe, ob ich ihr einen engliſchen oder einen polniſchen Sat¬ tel geben ſoll — u. ſ. w. — Leute, die mich alsdann ſtehen ſehen, begreifen nicht, was mich bey der Frau ſo ſehr anzieht. Zwiſchentragende Zungen wollten ſchon ihren Herrn Gemahl in Unruhe ſetzen und gaben Winke, als ob ich ſeine Ehehaͤlfte mit den Augen eines Roué be¬ trachte. Aber meine ehrliche, weichlederne chaise percée ſoll geantwortet haben: er halte mich fuͤr einen unſchuldigen, ſogar etwas ſchuͤchter¬ nen, jungen Menſchen, der ihn mit einer ge¬ wiſſen Genauigkeit anſaͤhe, wie einer, der das Beduͤrfniß fuͤhlt, ſich naͤher anzuſchließen, und doch von einer erroͤthenden Bloͤdigkeit zuruͤckgehalten wird. Mein edles Roß meinte hingegen: ich haͤtte ein freyes, unbefange¬ nes, chevaleresques Weſen, und meine zu¬ vorgruͤßende Hoͤflichkeit bedeute bloß den Wunſch, einmahl von ihnen zu einem Mit¬ tagseſſen eingeladen zu werden. —

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/262>, abgerufen am 21.05.2024.