gleichgültig gewesen, ob Niebuhr bewiesen oder nicht bewiesen hat, daß sie niemals wirklich exi¬ stirt haben. Und wußte ich nicht jene Jahrs¬ zahlen, wie hätte ich mich späterhin zurecht¬ finden wollen in dem großen Berlin, wo ein Haus dem anderen gleicht, wie ein Tropfen Wasser oder wie ein Grenadier dem anderen, und wo man seine Bekannten nicht zu finden vermag, wenn man nicht ihre Hausnummer im Kopfe hat; ich dachte mir damals bey jedem Bekannten zugleich eine historische Bege¬ benheit, deren Jahrszahl mit seiner Hausnum¬ mer übereinstimmte, so daß ich mich dieser leicht erinnern konnte, wenn ich jener gedachte, und daher kam mir auch immer eine historische Bege¬ benheit in den Sinn, sobald ich einen Bekann¬ ten erblickte. So z. B. wenn mir mein Schnei¬ der begegnete, dachte ich gleich an die Schlacht bey Marathon, begegnete mir der wohlgeputzte Banquier Christian Gumpel, so dachte ich gleich an die Zerstörung Jerusalems, erblickte ich ei¬
gleichguͤltig geweſen, ob Niebuhr bewieſen oder nicht bewieſen hat, daß ſie niemals wirklich exi¬ ſtirt haben. Und wußte ich nicht jene Jahrs¬ zahlen, wie haͤtte ich mich ſpaͤterhin zurecht¬ finden wollen in dem großen Berlin, wo ein Haus dem anderen gleicht, wie ein Tropfen Waſſer oder wie ein Grenadier dem anderen, und wo man ſeine Bekannten nicht zu finden vermag, wenn man nicht ihre Hausnummer im Kopfe hat; ich dachte mir damals bey jedem Bekannten zugleich eine hiſtoriſche Bege¬ benheit, deren Jahrszahl mit ſeiner Hausnum¬ mer uͤbereinſtimmte, ſo daß ich mich dieſer leicht erinnern konnte, wenn ich jener gedachte, und daher kam mir auch immer eine hiſtoriſche Bege¬ benheit in den Sinn, ſobald ich einen Bekann¬ ten erblickte. So z. B. wenn mir mein Schnei¬ der begegnete, dachte ich gleich an die Schlacht bey Marathon, begegnete mir der wohlgeputzte Banquier Chriſtian Gumpel, ſo dachte ich gleich an die Zerſtoͤrung Jeruſalems, erblickte ich ei¬
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gleichguͤltig geweſen, ob Niebuhr bewieſen oder
nicht bewieſen hat, daß ſie niemals wirklich exi¬
ſtirt haben. Und wußte ich nicht jene Jahrs¬
zahlen, wie haͤtte ich mich ſpaͤterhin zurecht¬
finden wollen in dem großen Berlin, wo ein
Haus dem anderen gleicht, wie ein Tropfen
Waſſer oder wie ein Grenadier dem anderen,
und wo man ſeine Bekannten nicht zu finden
vermag, wenn man nicht ihre Hausnummer
im Kopfe hat; ich dachte mir damals bey
jedem Bekannten zugleich eine hiſtoriſche Bege¬
benheit, deren Jahrszahl mit ſeiner Hausnum¬
mer uͤbereinſtimmte, ſo daß ich mich dieſer leicht
erinnern konnte, wenn ich jener gedachte, und
daher kam mir auch immer eine hiſtoriſche Bege¬
benheit in den Sinn, ſobald ich einen Bekann¬
ten erblickte. So z. B. wenn mir mein Schnei¬
der begegnete, dachte ich gleich an die Schlacht
bey Marathon, begegnete mir der wohlgeputzte
Banquier Chriſtian Gumpel, ſo dachte ich gleich
an die Zerſtoͤrung Jeruſalems, erblickte ich ei¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/190>, abgerufen am 22.11.2024.
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