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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

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Die "Harzreise" ist und bleibt Fragment,
und die bunten Fäden, die so hübsch hineinge¬
sponnen sind, um sich im Ganzen harmonisch
zu verschlingen, werden plötzlich, wie von der
Scheere der unerbittlichen Parze, abgeschnitten.
Vielleicht verwebe ich sie weiter in künftigen Lie¬
dern, und was jetzt kärglich verschwiegen ist,
wird alsdann vollauf gesagt. Am Ende kommt
es auch auf Eins heraus, wann und wo man
etwas ausgesprochen hat, wenn man es nur über¬
haupt einmal ausspricht. Mögen die einzelnen
Werke immerhin Fragmente bleiben, wenn sie nur
in ihrer Vereinigung ein Ganzes bilden. Durch
solche Vereinigung mag hier und da das Mangel¬
hafte ergänzt, das Schroffe ausgeglichen und das
Allzuherbe gemildert werden. Dieses würde viel¬
leicht schon bey den ersten Blättern der Harzreise
der Fall seyn, und sie könnten wohl einen minder
sauren Eindruck hervorbringen, wenn man am
derweitig erführe, daß der Unmuth, den ich ge¬
gen Göttingen im Allgemeinen hege, obschon er

Die „Harzreiſe“ iſt und bleibt Fragment,
und die bunten Faͤden, die ſo huͤbſch hineinge¬
ſponnen ſind, um ſich im Ganzen harmoniſch
zu verſchlingen, werden ploͤtzlich, wie von der
Scheere der unerbittlichen Parze, abgeſchnitten.
Vielleicht verwebe ich ſie weiter in kuͤnftigen Lie¬
dern, und was jetzt kaͤrglich verſchwiegen iſt,
wird alsdann vollauf geſagt. Am Ende kommt
es auch auf Eins heraus, wann und wo man
etwas ausgeſprochen hat, wenn man es nur uͤber¬
haupt einmal ausſpricht. Moͤgen die einzelnen
Werke immerhin Fragmente bleiben, wenn ſie nur
in ihrer Vereinigung ein Ganzes bilden. Durch
ſolche Vereinigung mag hier und da das Mangel¬
hafte ergaͤnzt, das Schroffe ausgeglichen und das
Allzuherbe gemildert werden. Dieſes wuͤrde viel¬
leicht ſchon bey den erſten Blaͤttern der Harzreiſe
der Fall ſeyn, und ſie koͤnnten wohl einen minder
ſauren Eindruck hervorbringen, wenn man am
derweitig erfuͤhre, daß der Unmuth, den ich ge¬
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[251/0263] Die „Harzreiſe“ iſt und bleibt Fragment, und die bunten Faͤden, die ſo huͤbſch hineinge¬ ſponnen ſind, um ſich im Ganzen harmoniſch zu verſchlingen, werden ploͤtzlich, wie von der Scheere der unerbittlichen Parze, abgeſchnitten. Vielleicht verwebe ich ſie weiter in kuͤnftigen Lie¬ dern, und was jetzt kaͤrglich verſchwiegen iſt, wird alsdann vollauf geſagt. Am Ende kommt es auch auf Eins heraus, wann und wo man etwas ausgeſprochen hat, wenn man es nur uͤber¬ haupt einmal ausſpricht. Moͤgen die einzelnen Werke immerhin Fragmente bleiben, wenn ſie nur in ihrer Vereinigung ein Ganzes bilden. Durch ſolche Vereinigung mag hier und da das Mangel¬ hafte ergaͤnzt, das Schroffe ausgeglichen und das Allzuherbe gemildert werden. Dieſes wuͤrde viel¬ leicht ſchon bey den erſten Blaͤttern der Harzreiſe der Fall ſeyn, und ſie koͤnnten wohl einen minder ſauren Eindruck hervorbringen, wenn man am derweitig erfuͤhre, daß der Unmuth, den ich ge¬ gen Goͤttingen im Allgemeinen hege, obſchon er

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/263>, abgerufen am 25.08.2024.