der hübschen Lüneburger Chronik, wo die guten, alten Herren, in wunderlich treuherzigen Holzschnitten, ab¬ conterfeyt sind, wohlgeharnischt, hoch auf ihrem ge¬ wappneten Schlachtroß, die heilige Kayserkrone auf dem theuren Haupte, Scepter und Schwerdt in festen Händen; und auf den lieben, knebelbärtigen Gesich¬ tern kann man deutlich lesen, wie oft sie sich nach den süßen Herzen ihrer Harz-Prinzessinnen und dem traulichen Rauschen der Harzwälder zurück¬ sehnten, wenn sie in der Fremde weilten, wohl gar in dem zitronen- und giftreichen Welschland, wohin sie und ihre Nachfolger so oft verlockt wurden von dem Wunsche, römische Kayser zu heißen, einer echtdeutschen Titelsucht, woran Kayser und Reich zu Grunde gingen.
Ich rathe aber Jedem, der auf der Spitze des Ilsensteins steht, weder an Kayser und Reich, noch an die schöne Ilse, sondern bloß an seine Füße zu denken. Denn als ich dort stand, in Gedanken verloren, hörte ich plötzlich die unterirdische Musik des Zauberschlosses, und ich sah, wie sich die Berge
der huͤbſchen Luͤneburger Chronik, wo die guten, alten Herren, in wunderlich treuherzigen Holzſchnitten, ab¬ conterfeyt ſind, wohlgeharniſcht, hoch auf ihrem ge¬ wappneten Schlachtroß, die heilige Kayſerkrone auf dem theuren Haupte, Scepter und Schwerdt in feſten Haͤnden; und auf den lieben, knebelbaͤrtigen Geſich¬ tern kann man deutlich leſen, wie oft ſie ſich nach den ſuͤßen Herzen ihrer Harz-Prinzeſſinnen und dem traulichen Rauſchen der Harzwaͤlder zuruͤck¬ ſehnten, wenn ſie in der Fremde weilten, wohl gar in dem zitronen- und giftreichen Welſchland, wohin ſie und ihre Nachfolger ſo oft verlockt wurden von dem Wunſche, roͤmiſche Kayſer zu heißen, einer echtdeutſchen Titelſucht, woran Kayſer und Reich zu Grunde gingen.
Ich rathe aber Jedem, der auf der Spitze des Ilſenſteins ſteht, weder an Kayſer und Reich, noch an die ſchoͤne Ilſe, ſondern bloß an ſeine Fuͤße zu denken. Denn als ich dort ſtand, in Gedanken verloren, hoͤrte ich ploͤtzlich die unterirdiſche Muſik des Zauberſchloſſes, und ich ſah, wie ſich die Berge
<TEI><text><body><divtype="poem"n="1"><p><pbfacs="#f0261"n="249"/>
der huͤbſchen Luͤneburger Chronik, wo die guten, alten<lb/>
Herren, in wunderlich treuherzigen Holzſchnitten, ab¬<lb/>
conterfeyt ſind, wohlgeharniſcht, hoch auf ihrem ge¬<lb/>
wappneten Schlachtroß, die heilige Kayſerkrone auf<lb/>
dem theuren Haupte, Scepter und Schwerdt in feſten<lb/>
Haͤnden; und auf den lieben, knebelbaͤrtigen Geſich¬<lb/>
tern kann man deutlich leſen, wie oft ſie ſich nach<lb/>
den ſuͤßen Herzen ihrer Harz-Prinzeſſinnen und<lb/>
dem traulichen Rauſchen der Harzwaͤlder zuruͤck¬<lb/>ſehnten, wenn ſie in der Fremde weilten, wohl gar<lb/>
in dem zitronen- und giftreichen Welſchland, wohin<lb/>ſie und ihre Nachfolger ſo oft verlockt wurden von<lb/>
dem Wunſche, roͤmiſche Kayſer zu heißen, einer<lb/>
echtdeutſchen Titelſucht, woran Kayſer und Reich<lb/>
zu Grunde gingen.</p><lb/><p>Ich rathe aber Jedem, der auf der Spitze des<lb/>
Ilſenſteins ſteht, weder an Kayſer und Reich, noch<lb/>
an die ſchoͤne Ilſe, ſondern bloß an ſeine Fuͤße zu<lb/>
denken. Denn als ich dort ſtand, in Gedanken<lb/>
verloren, hoͤrte ich ploͤtzlich die unterirdiſche Muſik<lb/>
des Zauberſchloſſes, und ich ſah, wie ſich die Berge<lb/></p></div></body></text></TEI>
[249/0261]
der huͤbſchen Luͤneburger Chronik, wo die guten, alten
Herren, in wunderlich treuherzigen Holzſchnitten, ab¬
conterfeyt ſind, wohlgeharniſcht, hoch auf ihrem ge¬
wappneten Schlachtroß, die heilige Kayſerkrone auf
dem theuren Haupte, Scepter und Schwerdt in feſten
Haͤnden; und auf den lieben, knebelbaͤrtigen Geſich¬
tern kann man deutlich leſen, wie oft ſie ſich nach
den ſuͤßen Herzen ihrer Harz-Prinzeſſinnen und
dem traulichen Rauſchen der Harzwaͤlder zuruͤck¬
ſehnten, wenn ſie in der Fremde weilten, wohl gar
in dem zitronen- und giftreichen Welſchland, wohin
ſie und ihre Nachfolger ſo oft verlockt wurden von
dem Wunſche, roͤmiſche Kayſer zu heißen, einer
echtdeutſchen Titelſucht, woran Kayſer und Reich
zu Grunde gingen.
Ich rathe aber Jedem, der auf der Spitze des
Ilſenſteins ſteht, weder an Kayſer und Reich, noch
an die ſchoͤne Ilſe, ſondern bloß an ſeine Fuͤße zu
denken. Denn als ich dort ſtand, in Gedanken
verloren, hoͤrte ich ploͤtzlich die unterirdiſche Muſik
des Zauberſchloſſes, und ich ſah, wie ſich die Berge
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/261>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.