Spukgeschichten, die hübsch klingen konnten, wenn sie nicht alle darauf hinaus liefen, daß es doch kein wirklicher Spuk gewesen, sondern, daß die weiße Gestalt ein Wilddieb war, und daß die wimmern¬ den Stimmen von den eben geworfenen Jungen einer Bache (wilden Sau), und das Geräusch auf dem Boden von der Hauskatze herrührte. Nur wenn der Mensch krank ist, setzte er hinzu, glaubt er Gespenster zu sehen; was aber seine Wenigkeit anbelange, so sey er selten krank, nur zuweilen leide er an Hautübeln, und dann kurire er sich jedesmal mit nüchternem Speichel. Er machte mich auch aufmerksam auf die Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit in der Natur. Die Bäume sind grün, weil grün gut für die Augen ist. Ich gab ihm Recht, und fügte hinzu: daß Gott das Rindvieh erschaffen, weil Fleischsuppen den Menschen stärken, daß er die Esel erschaffen, damit sie dem Menschen zu Vergleichungen dienen können, und daß er den Menschen selbst erschaffen, damit er Fleischsuppen essen und kein Esel seyn soll. Mein Begleiter war
Spukgeſchichten, die huͤbſch klingen konnten, wenn ſie nicht alle darauf hinaus liefen, daß es doch kein wirklicher Spuk geweſen, ſondern, daß die weiße Geſtalt ein Wilddieb war, und daß die wimmern¬ den Stimmen von den eben geworfenen Jungen einer Bache (wilden Sau), und das Geraͤuſch auf dem Boden von der Hauskatze herruͤhrte. Nur wenn der Menſch krank iſt, ſetzte er hinzu, glaubt er Geſpenſter zu ſehen; was aber ſeine Wenigkeit anbelange, ſo ſey er ſelten krank, nur zuweilen leide er an Hautuͤbeln, und dann kurire er ſich jedesmal mit nuͤchternem Speichel. Er machte mich auch aufmerkſam auf die Zweckmaͤßigkeit und Nuͤtzlichkeit in der Natur. Die Baͤume ſind gruͤn, weil gruͤn gut fuͤr die Augen iſt. Ich gab ihm Recht, und fuͤgte hinzu: daß Gott das Rindvieh erſchaffen, weil Fleiſchſuppen den Menſchen ſtaͤrken, daß er die Eſel erſchaffen, damit ſie dem Menſchen zu Vergleichungen dienen koͤnnen, und daß er den Menſchen ſelbſt erſchaffen, damit er Fleiſchſuppen eſſen und kein Eſel ſeyn ſoll. Mein Begleiter war
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Spukgeſchichten, die huͤbſch klingen konnten, wenn
ſie nicht alle darauf hinaus liefen, daß es doch kein
wirklicher Spuk geweſen, ſondern, daß die weiße
Geſtalt ein Wilddieb war, und daß die wimmern¬
den Stimmen von den eben geworfenen Jungen
einer Bache (wilden Sau), und das Geraͤuſch auf
dem Boden von der Hauskatze herruͤhrte. Nur
wenn der Menſch krank iſt, ſetzte er hinzu, glaubt
er Geſpenſter zu ſehen; was aber ſeine Wenigkeit
anbelange, ſo ſey er ſelten krank, nur zuweilen
leide er an Hautuͤbeln, und dann kurire er ſich
jedesmal mit nuͤchternem Speichel. Er machte
mich auch aufmerkſam auf die Zweckmaͤßigkeit und
Nuͤtzlichkeit in der Natur. Die Baͤume ſind gruͤn,
weil gruͤn gut fuͤr die Augen iſt. Ich gab ihm
Recht, und fuͤgte hinzu: daß Gott das Rindvieh
erſchaffen, weil Fleiſchſuppen den Menſchen ſtaͤrken,
daß er die Eſel erſchaffen, damit ſie dem Menſchen
zu Vergleichungen dienen koͤnnen, und daß er den
Menſchen ſelbſt erſchaffen, damit er Fleiſchſuppen
eſſen und kein Eſel ſeyn ſoll. Mein Begleiter war
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/192>, abgerufen am 04.12.2024.
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