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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

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das ganze Haus Hannover. -- Innig rührt es mich
jedesmal, wenn ich sehe, wie sich dieses Gefühl der
Unterthanstreue in seinen einfachen Naturlauten
ausspricht. Es ist ein so schönes Gefühl! Und es
ist ein so wahrhaft deutsches Gefühl! Andere Völ¬
ker mögen gewandter seyn, und witziger und ergötz¬
licher, aber keines ist so treu, wie das treue deut¬
sche Volk. Wüßte ich nicht, daß die Treue so alt
ist, wie die Welt, so würde ich glauben, ein deut¬
sches Herz habe sie erfunden. Deutsche Treue! sie
ist keine moderne Adressen-Floskel. An Euren Hö¬
fen, Ihr deutschen Fürsten, sollte man singen und
wieder singen das Lied vom getreuen Eckart und
vom bösen Burgund, der ihm die lieben Kinder
tödten lassen, und ihn alsdann doch noch immer treu
befunden hat. Ihr habt das treueste Volk, und
Ihr irrt, wenn Ihr glaubt: der alte, verständige,
treue Hund sey plötzlich toll geworden, und schnappe
nach Euren geheiligten Waden.

Wie die deutsche Treue hatte uns jetzt das kleine
Grubenlicht, ohne viel Geflacker, still und sicher ge¬

das ganze Haus Hannover. — Innig ruͤhrt es mich
jedesmal, wenn ich ſehe, wie ſich dieſes Gefuͤhl der
Unterthanstreue in ſeinen einfachen Naturlauten
ausſpricht. Es iſt ein ſo ſchoͤnes Gefuͤhl! Und es
iſt ein ſo wahrhaft deutſches Gefuͤhl! Andere Voͤl¬
ker moͤgen gewandter ſeyn, und witziger und ergoͤtz¬
licher, aber keines iſt ſo treu, wie das treue deut¬
ſche Volk. Wuͤßte ich nicht, daß die Treue ſo alt
iſt, wie die Welt, ſo wuͤrde ich glauben, ein deut¬
ſches Herz habe ſie erfunden. Deutſche Treue! ſie
iſt keine moderne Adreſſen-Floskel. An Euren Hoͤ¬
fen, Ihr deutſchen Fuͤrſten, ſollte man ſingen und
wieder ſingen das Lied vom getreuen Eckart und
vom boͤſen Burgund, der ihm die lieben Kinder
toͤdten laſſen, und ihn alsdann doch noch immer treu
befunden hat. Ihr habt das treueſte Volk, und
Ihr irrt, wenn Ihr glaubt: der alte, verſtaͤndige,
treue Hund ſey ploͤtzlich toll geworden, und ſchnappe
nach Euren geheiligten Waden.

Wie die deutſche Treue hatte uns jetzt das kleine
Grubenlicht, ohne viel Geflacker, ſtill und ſicher ge¬

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[150/0162] das ganze Haus Hannover. — Innig ruͤhrt es mich jedesmal, wenn ich ſehe, wie ſich dieſes Gefuͤhl der Unterthanstreue in ſeinen einfachen Naturlauten ausſpricht. Es iſt ein ſo ſchoͤnes Gefuͤhl! Und es iſt ein ſo wahrhaft deutſches Gefuͤhl! Andere Voͤl¬ ker moͤgen gewandter ſeyn, und witziger und ergoͤtz¬ licher, aber keines iſt ſo treu, wie das treue deut¬ ſche Volk. Wuͤßte ich nicht, daß die Treue ſo alt iſt, wie die Welt, ſo wuͤrde ich glauben, ein deut¬ ſches Herz habe ſie erfunden. Deutſche Treue! ſie iſt keine moderne Adreſſen-Floskel. An Euren Hoͤ¬ fen, Ihr deutſchen Fuͤrſten, ſollte man ſingen und wieder ſingen das Lied vom getreuen Eckart und vom boͤſen Burgund, der ihm die lieben Kinder toͤdten laſſen, und ihn alsdann doch noch immer treu befunden hat. Ihr habt das treueſte Volk, und Ihr irrt, wenn Ihr glaubt: der alte, verſtaͤndige, treue Hund ſey ploͤtzlich toll geworden, und ſchnappe nach Euren geheiligten Waden. Wie die deutſche Treue hatte uns jetzt das kleine Grubenlicht, ohne viel Geflacker, ſtill und ſicher ge¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/162>, abgerufen am 29.11.2024.