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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

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ihre Trompeter-Stückchen losblasen, zwischen drein
der lustige Matrosen-Lärmen erschallt, und Alles
frisch überschauert wird von Gottes lieber, freier
Luft. Ja, Luft! -- Nach Luft schnappend stieg
ich einige Dutzend Leitern wieder in die Höhe, und
mein Steiger führte mich durch einen schmalen, sehr
langen, in den Berg gehauenen Gang nach der
Grube Dorothea. Hier ist es luftiger und frischer,
und die Leitern sind reiner, aber auch länger und
steiler als in der Carolina. Hier wurde mir auch
besser zu Muthe, besonders da ich wieder Spuren
lebendiger Menschen gewahrte. In der Tiefe zeig¬
ten sich nämlich wandelnde Schimmer; Bergleute
mit ihren Grubenlichtern kamen allmählig in die
Höhe, mit dem Gruße "Glückauf!" und mit dem¬
selben Wiedergruße von unserer Seite stiegen sie
an uns vorüber; und wie eine befreundet ruhige,
und doch zugleich quälend räthselhafte Erinnerung,
trafen mich, mit ihren tiefsinnig klaren Blicken, die
ernstfrommen, etwas blassen, und vom Grubenlicht
geheimnißvoll beleuchteten Gesichter dieser, theils

ihre Trompeter-Stuͤckchen losblaſen, zwiſchen drein
der luſtige Matroſen-Laͤrmen erſchallt, und Alles
friſch uͤberſchauert wird von Gottes lieber, freier
Luft. Ja, Luft! — Nach Luft ſchnappend ſtieg
ich einige Dutzend Leitern wieder in die Hoͤhe, und
mein Steiger fuͤhrte mich durch einen ſchmalen, ſehr
langen, in den Berg gehauenen Gang nach der
Grube Dorothea. Hier iſt es luftiger und friſcher,
und die Leitern ſind reiner, aber auch laͤnger und
ſteiler als in der Carolina. Hier wurde mir auch
beſſer zu Muthe, beſonders da ich wieder Spuren
lebendiger Menſchen gewahrte. In der Tiefe zeig¬
ten ſich naͤmlich wandelnde Schimmer; Bergleute
mit ihren Grubenlichtern kamen allmaͤhlig in die
Hoͤhe, mit dem Gruße “Gluͤckauf!” und mit dem¬
ſelben Wiedergruße von unſerer Seite ſtiegen ſie
an uns voruͤber; und wie eine befreundet ruhige,
und doch zugleich quaͤlend raͤthſelhafte Erinnerung,
trafen mich, mit ihren tiefſinnig klaren Blicken, die
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geheimnißvoll beleuchteten Geſichter dieſer, theils

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[148/0160] ihre Trompeter-Stuͤckchen losblaſen, zwiſchen drein der luſtige Matroſen-Laͤrmen erſchallt, und Alles friſch uͤberſchauert wird von Gottes lieber, freier Luft. Ja, Luft! — Nach Luft ſchnappend ſtieg ich einige Dutzend Leitern wieder in die Hoͤhe, und mein Steiger fuͤhrte mich durch einen ſchmalen, ſehr langen, in den Berg gehauenen Gang nach der Grube Dorothea. Hier iſt es luftiger und friſcher, und die Leitern ſind reiner, aber auch laͤnger und ſteiler als in der Carolina. Hier wurde mir auch beſſer zu Muthe, beſonders da ich wieder Spuren lebendiger Menſchen gewahrte. In der Tiefe zeig¬ ten ſich naͤmlich wandelnde Schimmer; Bergleute mit ihren Grubenlichtern kamen allmaͤhlig in die Hoͤhe, mit dem Gruße “Gluͤckauf!” und mit dem¬ ſelben Wiedergruße von unſerer Seite ſtiegen ſie an uns voruͤber; und wie eine befreundet ruhige, und doch zugleich quaͤlend raͤthſelhafte Erinnerung, trafen mich, mit ihren tiefſinnig klaren Blicken, die ernſtfrommen, etwas blaſſen, und vom Grubenlicht geheimnißvoll beleuchteten Geſichter dieſer, theils

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/160>, abgerufen am 17.05.2024.