ein neues Loch nach einer neuen Leiter hinableitet. Ich war zuerst in die Carolina gestiegen. Das ist die schmutzigste und unerfreulichste Carolina, die ich je kennen gelernt habe. Die Leitersprossen sind kothignaß. Und von einer Leiter zur andern geht's hinab, und der Steiger voran, und dieser betheu¬ ert immer: es sey gar nicht gefährlich, nur müsse man sich mit den Händen fest an den Sprossen halten, und nicht nach den Füßen sehen, und nicht schwindlich werden, und nur bey Leibe nicht auf das Seitenbrett treten, wo jetzt das schnurrende Tonnenseil heraufgeht, und wo, vor vierzehn Ta¬ gen, ein unvorsichtiger Mensch hinunter gestürzt und leider den Hals gebrochen. Da unten ist ein verworrenes Rauschen und Summen, man stößt beständig an Balken und Seile, die in Bewegung sind, um die Tonnen mit geklopften Erzen, oder das hervorgesinterte Wasser, herauf zu winden. Zu¬ weilen gelangt man auch in durchgehauene Gänge, Stollen genannt, wo man das Erz wachsen sieht, und wo der einsame Bergmann den ganzen Tag
ein neues Loch nach einer neuen Leiter hinableitet. Ich war zuerſt in die Carolina geſtiegen. Das iſt die ſchmutzigſte und unerfreulichſte Carolina, die ich je kennen gelernt habe. Die Leiterſproſſen ſind kothignaß. Und von einer Leiter zur andern geht's hinab, und der Steiger voran, und dieſer betheu¬ ert immer: es ſey gar nicht gefaͤhrlich, nur muͤſſe man ſich mit den Haͤnden feſt an den Sproſſen halten, und nicht nach den Fuͤßen ſehen, und nicht ſchwindlich werden, und nur bey Leibe nicht auf das Seitenbrett treten, wo jetzt das ſchnurrende Tonnenſeil heraufgeht, und wo, vor vierzehn Ta¬ gen, ein unvorſichtiger Menſch hinunter geſtuͤrzt und leider den Hals gebrochen. Da unten iſt ein verworrenes Rauſchen und Summen, man ſtoͤßt beſtaͤndig an Balken und Seile, die in Bewegung ſind, um die Tonnen mit geklopften Erzen, oder das hervorgeſinterte Waſſer, herauf zu winden. Zu¬ weilen gelangt man auch in durchgehauene Gaͤnge, Stollen genannt, wo man das Erz wachſen ſieht, und wo der einſame Bergmann den ganzen Tag
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ein neues Loch nach einer neuen Leiter hinableitet.
Ich war zuerſt in die Carolina geſtiegen. Das iſt
die ſchmutzigſte und unerfreulichſte Carolina, die
ich je kennen gelernt habe. Die Leiterſproſſen ſind
kothignaß. Und von einer Leiter zur andern geht's
hinab, und der Steiger voran, und dieſer betheu¬
ert immer: es ſey gar nicht gefaͤhrlich, nur muͤſſe
man ſich mit den Haͤnden feſt an den Sproſſen
halten, und nicht nach den Fuͤßen ſehen, und nicht
ſchwindlich werden, und nur bey Leibe nicht auf
das Seitenbrett treten, wo jetzt das ſchnurrende
Tonnenſeil heraufgeht, und wo, vor vierzehn Ta¬
gen, ein unvorſichtiger Menſch hinunter geſtuͤrzt
und leider den Hals gebrochen. Da unten iſt ein
verworrenes Rauſchen und Summen, man ſtoͤßt
beſtaͤndig an Balken und Seile, die in Bewegung
ſind, um die Tonnen mit geklopften Erzen, oder
das hervorgeſinterte Waſſer, herauf zu winden. Zu¬
weilen gelangt man auch in durchgehauene Gaͤnge,
Stollen genannt, wo man das Erz wachſen ſieht,
und wo der einſame Bergmann den ganzen Tag
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/158>, abgerufen am 29.11.2024.
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