Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.Gemüth war, je mehr ich mich von Göttingen Steiget auf, Ihr alten Träume! Oeffne dich, du Herzensthor!Liederwonne, Wehmuthsthränen, Strömen wunderbar hervor. Durch die Tannen will ich schweifen, Wo die muntre Quelle springt,Wo die stolzen Hirsche wandeln, Wo die liebe Drossel singt. Auf die Berge will ich steigen, Auf die schroffen Felsenhöh'n,Wo die grauen Schloßruinen In dem Morgenlichte stehn. Dorten setz' ich still mich nieder Und gedenke alter Zeit,Alter blühender Geschlechter Und versunk'ner Herrlichkeit. Gemuͤth war, je mehr ich mich von Goͤttingen Steiget auf, Ihr alten Traͤume! Oeffne dich, du Herzensthor!Liederwonne, Wehmuthsthraͤnen, Stroͤmen wunderbar hervor. Durch die Tannen will ich ſchweifen, Wo die muntre Quelle ſpringt,Wo die ſtolzen Hirſche wandeln, Wo die liebe Droſſel ſingt. Auf die Berge will ich ſteigen, Auf die ſchroffen Felſenhoͤh'n,Wo die grauen Schloßruinen In dem Morgenlichte ſtehn. Dorten ſetz' ich ſtill mich nieder Und gedenke alter Zeit,Alter bluͤhender Geſchlechter Und verſunk'ner Herrlichkeit. <TEI> <text> <body> <div type="poem" n="1"> <p><pb facs="#f0145" n="133"/> Gemuͤth war, je mehr ich mich von Goͤttingen<lb/> entfernte, allmaͤhlig aufgethaut, wieder wie ſonſt<lb/> wurde mir romantiſch zu Sinn, und wandernd<lb/> dichtete ich folgendes Lied:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l rendition="#et">Steiget auf, Ihr alten Traͤume!</l><lb/> <l>Oeffne dich, du Herzensthor!</l><lb/> <l>Liederwonne, Wehmuthsthraͤnen,</l><lb/> <l>Stroͤmen wunderbar hervor.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l rendition="#et">Durch die Tannen will ich ſchweifen,</l><lb/> <l>Wo die muntre Quelle ſpringt,</l><lb/> <l>Wo die ſtolzen Hirſche wandeln,</l><lb/> <l>Wo die liebe Droſſel ſingt.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l rendition="#et">Auf die Berge will ich ſteigen,</l><lb/> <l>Auf die ſchroffen Felſenhoͤh'n,</l><lb/> <l>Wo die grauen Schloßruinen</l><lb/> <l>In dem Morgenlichte ſtehn.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l rendition="#et">Dorten ſetz' ich ſtill mich nieder</l><lb/> <l>Und gedenke alter Zeit,</l><lb/> <l>Alter bluͤhender Geſchlechter</l><lb/> <l>Und verſunk'ner Herrlichkeit.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [133/0145]
Gemuͤth war, je mehr ich mich von Goͤttingen
entfernte, allmaͤhlig aufgethaut, wieder wie ſonſt
wurde mir romantiſch zu Sinn, und wandernd
dichtete ich folgendes Lied:
Steiget auf, Ihr alten Traͤume!
Oeffne dich, du Herzensthor!
Liederwonne, Wehmuthsthraͤnen,
Stroͤmen wunderbar hervor.
Durch die Tannen will ich ſchweifen,
Wo die muntre Quelle ſpringt,
Wo die ſtolzen Hirſche wandeln,
Wo die liebe Droſſel ſingt.
Auf die Berge will ich ſteigen,
Auf die ſchroffen Felſenhoͤh'n,
Wo die grauen Schloßruinen
In dem Morgenlichte ſtehn.
Dorten ſetz' ich ſtill mich nieder
Und gedenke alter Zeit,
Alter bluͤhender Geſchlechter
Und verſunk'ner Herrlichkeit.
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