Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite
Nach dem treppenhohen Rathhaus',
Wo steinerne Kaiserbilder
Wacht halten mit Zepter und Schwerdt.
Unferne, vor langen Häuser-Reih'n
Mit spiegelblanken Fenstern,
Stehn pyramidisch beschnittene Linden,
Und wandeln seidenrauschende Jungfrau'n,
Ein gülden Band um den schlanken Leib,
Die Blumengesichter sittsam umschlossen
Von schwarzen, sammtnen Mützchen,
Woraus die Lockenfülle hervordringt.
Bunte Gesellen, in spanischer Tracht,
Stolziren vorüber und nicken.
Bejahrte Frauen,
In braunen, verschollnen Gewändern,
Gesangbuch und Rosenkranz in der Hand,
Eilen, trippelnden Schritts,
Nach dem großen Dome,
Getrieben von Glockengeläute
Und rauschendem Orgelton.
Mich selbst ergreift des fernen Klangs
Geheimnißvoller Schauer,
Unendliches Sehnen, tiefe Wehmuth
Beschleicht mein Herz,
Mein kaum geheiltes Herz;
Nach dem treppenhohen Rathhauſ',
Wo ſteinerne Kaiſerbilder
Wacht halten mit Zepter und Schwerdt.
Unferne, vor langen Häuſer-Reih'n
Mit ſpiegelblanken Fenſtern,
Stehn pyramidiſch beſchnittene Linden,
Und wandeln ſeidenrauſchende Jungfrau'n,
Ein gülden Band um den ſchlanken Leib,
Die Blumengeſichter ſittſam umſchloſſen
Von ſchwarzen, ſammtnen Mützchen,
Woraus die Lockenfülle hervordringt.
Bunte Geſellen, in ſpaniſcher Tracht,
Stolziren vorüber und nicken.
Bejahrte Frauen,
In braunen, verſchollnen Gewändern,
Geſangbuch und Roſenkranz in der Hand,
Eilen, trippelnden Schritts,
Nach dem großen Dome,
Getrieben von Glockengeläute
Und rauſchendem Orgelton.
Mich ſelbſt ergreift des fernen Klangs
Geheimnißvoller Schauer,
Unendliches Sehnen, tiefe Wehmuth
Beſchleicht mein Herz,
Mein kaum geheiltes Herz;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0343" n="335"/>
              <lg n="2">
                <l>Nach dem treppenhohen Rathhau&#x017F;',</l><lb/>
                <l>Wo &#x017F;teinerne Kai&#x017F;erbilder</l><lb/>
                <l>Wacht halten mit Zepter und Schwerdt.</l><lb/>
                <l>Unferne, vor langen Häu&#x017F;er-Reih'n</l><lb/>
                <l>Mit &#x017F;piegelblanken Fen&#x017F;tern,</l><lb/>
                <l>Stehn pyramidi&#x017F;ch be&#x017F;chnittene Linden,</l><lb/>
                <l>Und wandeln &#x017F;eidenrau&#x017F;chende Jungfrau'n,</l><lb/>
                <l>Ein gülden Band um den &#x017F;chlanken Leib,</l><lb/>
                <l>Die Blumenge&#x017F;ichter &#x017F;itt&#x017F;am um&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
                <l>Von &#x017F;chwarzen, &#x017F;ammtnen Mützchen,</l><lb/>
                <l>Woraus die Lockenfülle hervordringt.</l><lb/>
                <l>Bunte Ge&#x017F;ellen, in &#x017F;pani&#x017F;cher Tracht,</l><lb/>
                <l>Stolziren vorüber und nicken.</l><lb/>
                <l>Bejahrte Frauen,</l><lb/>
                <l>In braunen, ver&#x017F;chollnen Gewändern,</l><lb/>
                <l>Ge&#x017F;angbuch und Ro&#x017F;enkranz in der Hand,</l><lb/>
                <l>Eilen, trippelnden Schritts,</l><lb/>
                <l>Nach dem großen Dome,</l><lb/>
                <l>Getrieben von Glockengeläute</l><lb/>
                <l>Und rau&#x017F;chendem Orgelton.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="3">
                <l>Mich &#x017F;elb&#x017F;t ergreift des fernen Klangs</l><lb/>
                <l>Geheimnißvoller Schauer,</l><lb/>
                <l>Unendliches Sehnen, tiefe Wehmuth</l><lb/>
                <l>Be&#x017F;chleicht mein Herz,</l><lb/>
                <l>Mein kaum geheiltes Herz;</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0343] Nach dem treppenhohen Rathhauſ', Wo ſteinerne Kaiſerbilder Wacht halten mit Zepter und Schwerdt. Unferne, vor langen Häuſer-Reih'n Mit ſpiegelblanken Fenſtern, Stehn pyramidiſch beſchnittene Linden, Und wandeln ſeidenrauſchende Jungfrau'n, Ein gülden Band um den ſchlanken Leib, Die Blumengeſichter ſittſam umſchloſſen Von ſchwarzen, ſammtnen Mützchen, Woraus die Lockenfülle hervordringt. Bunte Geſellen, in ſpaniſcher Tracht, Stolziren vorüber und nicken. Bejahrte Frauen, In braunen, verſchollnen Gewändern, Geſangbuch und Roſenkranz in der Hand, Eilen, trippelnden Schritts, Nach dem großen Dome, Getrieben von Glockengeläute Und rauſchendem Orgelton. Mich ſelbſt ergreift des fernen Klangs Geheimnißvoller Schauer, Unendliches Sehnen, tiefe Wehmuth Beſchleicht mein Herz, Mein kaum geheiltes Herz;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827/343
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827/343>, abgerufen am 21.11.2024.