Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite
XXVIII.
Der bleiche, herbstliche Halbmond
Lugt aus den Wolken heraus;
Ganz einsam liegt auf dem Kirchhof'
Das stille Pfarrerhaus.
Die Mutter liest in der Bibel,
Der Sohn, der starret in's Licht,
Schlaftrunken dehnt sich die ält're,
Die jüngere Tochter spricht:
Ach Gott! wie Einem die Tage
Langweilig hier vergeh'n;
Nur wenn sie Einen begraben,
Bekommen wir etwas zu sehn.
Die Mutter spricht zwischen dem Lesen:
Du irrst, es starben nur Vier,
Seit man deinen Vater begraben,
Dort an der Kirchhofsthür'.
XXVIII.
Der bleiche, herbſtliche Halbmond
Lugt aus den Wolken heraus;
Ganz einſam liegt auf dem Kirchhof'
Das ſtille Pfarrerhaus.
Die Mutter lieſt in der Bibel,
Der Sohn, der ſtarret in's Licht,
Schlaftrunken dehnt ſich die ält're,
Die jüngere Tochter ſpricht:
Ach Gott! wie Einem die Tage
Langweilig hier vergeh'n;
Nur wenn ſie Einen begraben,
Bekommen wir etwas zu ſehn.
Die Mutter ſpricht zwiſchen dem Leſen:
Du irrſt, es ſtarben nur Vier,
Seit man deinen Vater begraben,
Dort an der Kirchhofsthür'.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0213" n="205"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">XXVIII.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Der bleiche, herb&#x017F;tliche Halbmond</l><lb/>
              <l>Lugt aus den Wolken heraus;</l><lb/>
              <l>Ganz ein&#x017F;am liegt auf dem Kirchhof'</l><lb/>
              <l>Das &#x017F;tille Pfarrerhaus.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Die Mutter lie&#x017F;t in der Bibel,</l><lb/>
              <l>Der Sohn, der &#x017F;tarret in's Licht,</l><lb/>
              <l>Schlaftrunken dehnt &#x017F;ich die ält're,</l><lb/>
              <l>Die jüngere Tochter &#x017F;pricht:</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Ach Gott! wie Einem die Tage</l><lb/>
              <l>Langweilig hier vergeh'n;</l><lb/>
              <l>Nur wenn &#x017F;ie Einen begraben,</l><lb/>
              <l>Bekommen wir etwas zu &#x017F;ehn.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Die Mutter &#x017F;pricht zwi&#x017F;chen dem Le&#x017F;en:</l><lb/>
              <l>Du irr&#x017F;t, es &#x017F;tarben nur Vier,</l><lb/>
              <l>Seit man deinen Vater begraben,</l><lb/>
              <l>Dort an der Kirchhofsthür'.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0213] XXVIII. Der bleiche, herbſtliche Halbmond Lugt aus den Wolken heraus; Ganz einſam liegt auf dem Kirchhof' Das ſtille Pfarrerhaus. Die Mutter lieſt in der Bibel, Der Sohn, der ſtarret in's Licht, Schlaftrunken dehnt ſich die ält're, Die jüngere Tochter ſpricht: Ach Gott! wie Einem die Tage Langweilig hier vergeh'n; Nur wenn ſie Einen begraben, Bekommen wir etwas zu ſehn. Die Mutter ſpricht zwiſchen dem Leſen: Du irrſt, es ſtarben nur Vier, Seit man deinen Vater begraben, Dort an der Kirchhofsthür'.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827/213
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827/213>, abgerufen am 14.10.2024.